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Das AgBB-Schema

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Das AgBB-Schema

Nach der Trocknung von Lacken können Emissionen z.B. aus der Oxidation von Fettsäuren der Bindemittel auftreten.

Diese sind als Geruch wahrnehmbar. Dies kann unter Umständen über einen gewissen Zeitraum (mehrere Monate) der Fall sein, solange noch oxidationsfähige Fettsäuremoleküle vorhanden sind. Hausmittel, wie das Aufstellen von oder das Abwaschen mit Essigwasser, können den Geruch mindern. In hartnäckigen Fällen hilft ein Überstreichen mit einem fettsäurefreien Lack (z.B. Acryllack), der den Zugang von Sauerstoff unterbindet. Diese Beschichtungen sind nach dem Verdunsten der Lösemittel geruchlos.

Hochsieder und Weichmacher in der Raumluft können aus Farben und Lacken, aber auch aus Teppichen, Kunststoffteilen und Schaummatratzen, Polstern etc. stammen. Diese Substanzen können über einen langen Zeitraum emittieren und sich wie bei einem neuen Auto als öliger schmieriger Film auf den Scheiben niederschlagen. Dies wird als Fogging-Effekt bezeichnet. Tritt dieser Effekt in Räumen auf, so kann es zu den berüchtigten „Schwarzen Wohnungen“ führen, wo die Wandflächen, Kunststoffflächen etc. mit einem öligen grauen, schwarzen Film belegt sind. Deshalb muss zwischen den Emissionen während der Verarbeitung und der späteren Nutzung unterschieden werden.


Während der Beschichtung

Während der Verarbeitung steht die Gesundheit des Verarbeiters im Fokus. Notwendige Arbeitsschutzmaßnahmen (Hautschutz, Atemschutz, Augenschutz) leiten sich aus dem Sicherheitsdatenblatt, sowie einer Gefährdungsermittlung ab und sind als Betriebsanweisung zur Verfügung zu stellen. Der auf den Produkten aufgedruckte Giscode, auch als Produktcode bezeichnet, bezieht sich auf eine für einen Produkttyp typische Betriebsanweisung aus dem Gefahrstoffinformationssystem (www.gisbau.de).

Die Angaben im Sicherheitsdatenblatt beziehen sich immer auf das flüssige, unverarbeitete Produkt. Allergische Reaktionen können von Konservierungsstoffen, aber auch natürlichen Bestandteilen sogenannter Biofarben herrühren und können sowohl während der Verarbeitung als auch der Nutzung auftreten. Für Isothiazolinon-Allergiker ist zu beachten, dass wasserverdünnbare Lacke geringe Mengen Isothiazolinon z.B. von der Konservierung der Bindemittel oder Additive enthalten können, die jedoch unterhalb der Deklarationsgrenze liegen und deshalb weder auf der Dose noch im Sicherheitsdatenblatt auftauchen. In der Regel sind bei diesen geringen Mengen keine Allergien zu erwarten. Trotzdem können hochgradig z.B. durch Kosmetik sensibilisierte Personen eine allergische Reaktion verspüren. Viele Hersteller haben eine Allergiker-Hotline eingerichtet, die im Zweifelsfall Auskunft gibt.

Das Sicherheitsdatenblatt gibt jedoch keine Auskunft über die trockene Beschichtung und Emissionen, die während der Nutzung in den Innenraum gelangen können, wie leichtflüchtige und schwerflüchtige organische Verbindungen (VOC, SVOC), Aldehyde als Spaltprodukte aus dem Trocknungsprozess (Oxidation von Ölen und Harzen), Formaldehyd etc. Auch die VOC-Angabe nach der Decopaint-Richtlinie 2004/42/EG auf der Dose lässt keine Rückschlüsse auf die trockene Beschichtung zu.


Während der Nutzung

Bauprodukte können während der Nutzung eine Vielzahl von Chemikalien, wie z.B. Lösemittel, Weichmacher, Restmonomere, Verarbeitungshilfsstoffe, Additive an die Raumluft abgeben. Darüber hinaus können natürlich vorhandene Inhaltsstoffe von nachwachsenden Rohstoffen freigesetzt werden, aber auch eine Sekundäremission aus chemischen Reaktionen wie z.B. Aldehyde aus Oxidationsprozessen der Fettsäure. Relevante Emissionen aus Bauprodukten sind leichtflüchtige organische Verbindungen (VOC), schwerflüchtige organische Verbindungen (SVOC) und Formaldehyd. In den letzten Jahrzehnten standen immer wieder neue Schadstoffe im Fokus der Innenraumbelastung. Ausgehend 1970 von PCP und Lindan aus Holzschutzmitteln in den alten Bundesländern über Formaldehyd, Permethrin in Wollteppichen, Aromaten, PCB, Weichmacher, Isothiazolinon, VOC und SVOC, steht heute DDT aus Holzschutzmitteln der ehemaligen DDR im Brennpunkt. Das Gesellschaftsbewusstsein und der Umgang mit Umwelt und Gesundheit, die Öko- und Biowelle haben sich in den letzten 40 Jahren fortentwickelt. Begann es vor 46 Jahren mit der Stiftung Warentest, gefolgt vom Blauen Engel UZ 12a für schadstoffarme Lacke (32 Jahre), RAL Holzschutzmittel und Ökotest (25 Jahre), EU ECO Label (17 Jahre), TOX PROOF vom TÜV Rheinland (über zehn Jahre) und nature plus (8 Jahre), um nur einige ausgewählte Zertifizierungen zu nennen, so stehen heute amtliche Bewertungen der Innenraumluftbelastung von Bauprodukten und deren allgemeine bauaufsichtliche Zulassung als „Emissionsgeprüftes Bauprodukt nach DIBt Grundsätzen“ durch das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) an.

 „Gesünderes Bauen“-Zertifikat

Das  „Gesünderes Bauen“-Zertifikat des TÜV Rheinlands bescheinigt die Schadstoffarmut nach einem Kriterienkatalog. Bewertet werden Textilien, Bekleidungen, Innenraumausstattungen, aber auch Bauprodukte bis hin zu Fertighäusern. Bei der Schadstoffbeurteilung werden das Einatmen von Stäuben, Fasern und Gasen, das Verschlucken von Kleinteilen, nicht schweiß- und speichelechte Farbmittel und der Hautkontakt zugrunde gelegt. Bei Bauprodukte für den Innenraum steht die Belastung der Raumluft mit Schadstoffen im Vordergrund. Basis hierfür sind Kammermessungen unter festgelegten Prüfbedingungen. Die nachgewiesenen chemischen Verbindungen müssen deutlich unterhalb von Richtwerten bzw. Schwellenwerten der maximalen Arbeitsplatzkonzentration (MAK Werte) liegen. Heute wird statt des MAK-Wertes der Arbeitsplatzgrenzwert (AGW-Wert) verwendet.


AgBB-Schema

Heute steht im Fokus die kontrollierte Innenraumluft aus Bauprodukten. Dazu wurde vom Ausschuss zur gesundheitlichen Bewertung von Bauprodukten ein sogenanntes AgBB-Schema zur gesundheitlichen Bewertung von Bauproduktemissionen erarbeitet und diese bei der DIBt-Zulassung von Bauprodukten zugrunde gelegt. Auch hier ist die Basis eine Prüfkammermessung nach 3 Tagen, bzw. 7 Tagen und 28 Tagen. Werden bereits nach 7 Tagen die vorgegebenen Grenzwerte unterschritten, so kann die Messung abgebrochen werden. Bei der Bewertung nach dem AgBB-Schema muss das Bauprodukt 7 verschiedene Kriterien erfüllen, ansonsten wird es als nicht geeignet abgelehnt. Im Fokus der Bewertung stehen die Summenwerte von VOC, SVOC und kanzerogenen Stoffen nach 3 und 28 Tagen sowie eine Einzelstoffbewertung auf Basis von NIK-Werten. NIK bezeichnet die niedrigste interessierende Konzentration und ist der MAK- Wert dividiert durch 100, bei kanzerogenen Stoffen MAK-Wert dividiert durch 1.000. Weiterhin werden Substanzen ohne einen NIK-Wert, da toxikologische Daten fehlen, begrenzt.


Bei der Bewertung nach dem AgBB-Schema muss das Bauprodukt sieben verschiedene Kriterien erfüllen, sonst wird es als nicht geeignet abgelehnt.


In einer Studie des Lackverbandes, welche beim Fraunhofer Institut WKI in Braunschweig durchgeführt wurde, sind 5 unterschiedliche Lacktypen (2 Acryllacke – Typ 1 und 2 wasserverdünnbar, 1 Alkydharzlack wasserverdünnbar, 1 konventioneller Alkydharzlack lösemittelverdünnbar sowie 1 Highsolid Lack, d.h. mit hohem Harzfeststoffgehalt) auf Glas beschichtet in der Kammer gemessen und nach dem AgBB-Schema bewertet worden. Das Emissionsverhalten wurde über 90 Tage gemessen. Der konventionelle Alkydharzlack zeigt die niedrigste Emission nach 3 Tagen, der Alkydharzlack wasserverdünnbar eine etwas höhere. Die Acryllacke und der Highsolid-Lack haben nach 3 Tagen die höchste Emissionsrate und zwar viermal höher als der konventionelle Alkydharzlack und doppelt so hoch wie der wasserverdünnbare Alkydharzlack. Trotzdem liegt die Emission deutlich unter dem vom AgBB geforderten Grenzwert von 10.000 µg/m³ und zwar fast um einen Faktor 3. Nach 28 Tagen ist bei allen Lacken ein deutliches Abklingverhalten gegeben und selbst der Highsolid-Lack mit dem höchsten Emissionswert liegt deutlich unter den geforderten 1.000 µg/m³. Während der konventi-onelle Alkydharzlack und der Acryllack Typ 1 eine sehr niedrige Emission haben, weist der Acryllack Typ 2 und der wasserverdünnbare Alkydharzlack noch eine signifikante Emission auf. Der Highsolid-Lack, Acryllack Typ 2 und der wasserverdünnbare Alkydharzlack erreichen alle nach 60 Tagen eine niedrige Emission. Nach 90 Tagen liegt die Emission aller Lacke unterhalb der Messgrenze. Diese doch deutlich unterschiedlichen Langzeitemissionsverhalten lassen sich leicht erklären. Der konventionelle Alkydharzlack ist mit leichtflüchtigen organischen Verbindungen (Lösemittel) formuliert, die schnell entweichen. Die Hauptemission sind dann die Aldehyde aus der Oxidation der Fettsäure. Diese sind langandauernd und hoch, da eine große Harzmenge vorliegt und chemisch reagieren kann. Der Highsolid-Lack hat einen sehr hohen Harzanteil mit einem Festkörper von ca. 80 Prozent und nur 20 Prozent Lösemittel. Bei den Acryllacken ist das Abklingverhalten der unterschiedlichen Lösemittel, insbesondere die Anteile der Hochsieder, entscheidend, wie schnell die Emission abklingt.

Blauer Engel UZ 12a

Der Blaue Engel UZ 12a für Lacke hat bereits seit 1986 zu einer Reduzierung von Schadstoffen in Lacken geführt und eine Limitierung von Stoffen und Zubereitungen in diesen Lacken verlangt, die krebserzeugende, erbgutverändernde, fortpflanzungsgefährdende, fruchtschädigende, giftige, sehr giftige, reizende, gesundheitsschädliche oder ätzende Eigenschaften aufweisen. Darüber hinaus wurden Formaldehyd und Konservierungsmittel begrenzt und eine maximale Begrenzung des VOC-Gehalts (2%, 8%, 10%) abhängig vom Festkörpergehalt für einzelne Produktgruppen festgelegt. Ab 2010 gibt es eine neue Vergabegrundlage für den Blauen Engel UZ 12a für emissions- und schadstoffarme Lacke. Über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehend wurden folgende Anforderungen festgelegt: Herstellung unter Einsatz schadstoffarmer Werkstoffe und Materialien, welche die Umwelt weniger belasten, bei der Verarbeitung emissionsarm sind, in der Wohnumwelt gesundheitlich unbedenklich, keine Schadstoffe enthalten, die bei der Verwendung und Entsorgung lackierter Materialien erheblich stören. Neu ist, dass die maximalen Gehalte an VOC und SVOC nicht nur limitiert sind, sondern auch noch nach VOC-Siedepunkte bis 200° C, VOC-Siedepunkte über 200 ° C sowie SVOC aufgesplittet werden. Eine weitere Limitierung sind VOC mit einem NIK-Wert < 100 µg/m³ und Stoffe ohne NIK-Wert.


Emissionen aus Parkettlacken

Seit dem 1.1.2011 dürfen nur noch vom Deutschen Institut für Bautechnik zugelassene Lacke und Öle für Parkett und Holzfußböden als Bauprodukt verarbeitet werden. Siehe Bauregelliste B Teil1 lfd. Nr. 1.18.3 und Anlage 1/18.3 (www.dibt.de). Basis der Zulassung ist die Anforderung Nr.3 (Umwelt, Gesundheit und Hygiene) an Bauprodukte. Parkettlacke und -öle werden auf Eichenholz aufgetragen und nach einem Tag Konditionierung im Normklima in einer Messkammer geprüft und nach AgBB bewertet. Parkettlacke mit bestandener Prüfung erhalten ein Ü-Zeichen „emissionsgeprüftes Bauprodukt nach DIBt Grundsätzen“. Diese Oberflächenbeschichtungen erfüllen die Anforderungen der Grundsätze zur gesundheitlichen Bewertung von Bauprodukten in Innenräumen und dürfen demgemäß in Aufenthaltsräumen verwendet werden.


Beispiel für ein Ü-Zeichen eines Parkettlacks.

Zusammenfassung

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Innenraumemissi-onen bereits ein wichtiges Kriterium für Innenprodukte sind und in Zukunft auch auf EU-Ebene an Bedeutung gewinnen werden. Wegen noch nicht vorhandener einheitlicher Testmethoden in der EU, wird heute im CE-Kennzeichen für Bauprodukte noch keine Angabe zur Umwelt, Gesundheit und Hygiene gemacht. Dies ist den nationalen Zulassungen vorbehalten. Ein Bauprodukt mit CE-Kennzeichen darf zwar europaweit gehandelt, aber nicht als Bauprodukt in einem Mitgliedsstaat verwendet werden. In Deutschland ist dafür das Ü-Zeichen des DIBt erforderlich, wenn Anforderungen nach deutschem Recht erfüllt werden müssen.

Quelle: Malerblatt 05/2011, Fotos:Dr. Josef Theo Hein, DIBt, Dyrup/Gori
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