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Kalkanstriche und -putze

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Kalkanstriche und -putze

Lange Zeit fanden sie fast nur Anwendung bei der Restaurierung von historischen Gebäuden: Kalkputze und -farben.

Aus sämtlichen anderen Bereichen wurden sie durch moderne Anstrichstoffe, die schneller und günstiger aufgebracht werden können und weniger Fachwissen verlangen, verdrängt. Leider sind dabei auch die Qualitäten des natürlichen Anstrichmittels Kalk, wie etwa die Feuchtigkeitsregulierung durch seine Diffusionsfähigkeit oder seine Geruchsneutralität, in Vergessenheit geraten.

 

Positive Eigenschaften

Erst die heutzutage sehr häufig anzutreffende Schimmelpilzproblematik lenkte den Blick schließlich wieder auf den Kalk. Da Biozide von vielen Bauherren abgelehnt werden und ihre Wirksamkeit häufig infrage gestellt wird, suchte man nach einer ökologischeren und nachhaltigeren Lösung. Durch seine hygroskopische Oberfläche bietet Kalk beste Wasserdampfregulation. Außerdem ist der pH-Wert von Kalk größer als 12 (stark alkalisch), weshalb Kalk antibakteriell wirkt. Doch die positiven Eigenschaften des Kalks beschränken sich nicht auf die Schimmelwidrigkeit. Thomas Bühler von der Firma Haga, Lieferant für Kalk und Lehmputze, erklärt die enorm gestiegene Nachfrage nach Kalkprodukten in den letzten Jahren so: „Selbst bei den nicht rein ökologisch orientierten Kunden ist ein Umdenken zu beobachten. Einer der Hauptgründe ist sicherlich die Schimmelproblematik, aber auch baubiologische Gesichtspunkte und der Wunsch nach bezahlbarer Natürlichkeit werden genannt.” Kalk fügt sich in einen absolut rückstandsfreien, ökologischen Kreislauf ein; er kann problemlos entsorgt werden. Durch seine Geruchsneutralität und völlige Schadstofffreiheit (sofern er nicht synthetisch modifiziert wurde) vermittelt Kalk Frische und sorgt für ein positives Raumklima. Christian Kern, Kirchenmaler und Restaurator und Anbieter von Kalkfarben und -putzen mit dem Namen „Alpinkalk”, erklärt, was Kalk für ihn ist: „In erster Linie ist Kalk für mich Problemlöser. Er nimmt Gerüche auf, löst das Problem der Nachhaltigkeit, der Lösemittel- und Weichmacherproblematik. Durch die Luftdurchlässigkeit des gesamten Kalkputzsystems werden aufwendige und teure Lüftungssysteme überflüssig.”

Ästhetische Oberflächen

Doch auch die Ästhetik des Kalks wurde wiederentdeckt. So gewinnt ein Kalkanstrich durch seine natürliche Patina im Laufe der Jahre noch an Ästhetik, während andere Anstriche unansehnlich werden. Kalkoberflächen sind niemals homogen und gleichmäßig, sondern wirken stets leicht wolkig, bisweilen gar lasierend. Bernhard Nydegger, Malermeister, Gutachter und Dozent für Handwerker in der Denkmalpflege, beantwortet die Frage, was ihn am Baustoff Kalk fasziniert, folgendermaßen: „Seine Ästhetik und seine alterungsästhetische Reversibilität, seine Überarbeitbarkeit und Langfristigkeit.” Auch Architekten, wie z.B. Jörg Hohberg und Andreas Boesel vom Architekturbüro Boesel, Benkert, Hohberg in München, sind von der Ästhetik des Kalks angetan. Andreas Boesel: „Normalerweise schließt man eine Oberfläche ab, macht sie dicht, versiegelt sie. Mit Kalk dagegen hat man die Möglichkeit, ein lebendiges Material einzusetzen, das dampfdiffusionsoffen ist und das Oberflächenbild der Wand in besonders ästhetischer Weise gestaltet.” Jörg Hohberg ergänzt: „Kalkoberflächen sind keine „toten” Flächen. Sie leben weiter und werden mit dem Alter schöner.”


Fachwissen erforderlich

Doch trotz all seiner positiven Eigenschaften wird der Kalk vermutlich ein Nischenprodukt bleiben, denn er erfordert von seinem Verarbeiter eine Menge Knowhow. Kalkfarben und -putze (und gemeint sind hier „echte” Kalkprodukte, bei denen der Kalk als Bindemittel dient und nicht solche, denen Kalk lediglich als Füllstoff zugegeben ist oder die in hohem Maß modifiziert sind), können nicht auf jedem Untergrund eingesetzt werden. Geeignete Untergründe sind neben Kalkputzen beispielsweise Lehmputze, Kalksandstein, Porenbeton, Ziegelstein sowie alte Kalkfarben und -putze. Sie müssen saugfähig sein und frei von trennenden Substanzen. Hierzu zählen Öl oder Ruß, aber auch stark gebundene Dispersions-, Öl- oder Latexfarben, wie sie heute auf vielen Altuntergründen anzutreffen sind. „Ihm fehlen heute die Untergründe,” antwortet Hans Peter Niggli, Geschäftsführer der Thymos AG, die Natur-, Mineral- und Ölfarben in der Schweiz verkauft, auf die Frage wie es dazu gekommen ist, dass Kalk kaum noch verwendet wird.

Um „echte” Kalkprodukte anwenden zu können, sollte man über die nötige handwerkliche Kompetenz und, wenn möglich, Erfahrung im Umgang mit den Produkten verfügen, um Bauschäden und Reklamationen zu verhindern. Folgende Produkte stehen zur Auswahl:

· Kalklasuren sind eigentlich transparent, trocknen aber, je nach Zugabestoffen, leicht weißlich oder milchig auf. Titanweiß ist in Kalklasuren nicht enthalten, die Füllstoffe auf ein Minimum reduziert.

· Kalkfarben enthalten mehr Füllstoffe (Marmormehle oder Titanweiß). Das üblichere Titanweiß bewirkt eine höhere Deckkraft, dafür büßt die Farbe etwas ihrer Natürlichkeit ein. Kalkfarben werden zwei bis drei Mal aufgetragen und ergeben zwar deckende, jedoch leicht melierte und zumeist matte Oberflächen. Kalkfarben können bis etwa zehn Prozent abgetönt werden, weshalb nur pastellige Farbtöne möglich sind. Sind stärkere Abtönungen notwendig, müssen Additive, wie Zellulose oder Naturharze beigemischt werden.

· Bei Kalkspachteln oder Kalkglätten sind dem Kalk verschiedene Füllstoffe, wie Marmormehle, Sande oder auch Weißzement oder pflanzliche Additive zugesetzt. Viele Kalkspachtel oder Kalkglätten, die heute angeboten werden, enthalten als Bindemittel Acrylat. Hier dient der Kalk nicht mehr als Bindemittel, sondern als Füllstoff, was Unterschiede in der Verarbeitung (diese ist einfacher), aber auch im Erscheinungsbild mit sich bringt. Die Fläche wirkt homogener. Kalkspachtel oder -glätten werden in mehreren Lagen auf feinkörnige Untergründe aufgetragen und können abschließend mit Seife oder Wachs veredelt werden.

· Enthalten Kalkspachtel gröbere Sande , entstehen Kalkputze. Diese Dekorputze können entweder eingefärbt oder aber nach der Trocknung lasiert oder beschichtet werden.

Wer in die Verarbeitung des Kalks in seiner ursprünglichen Form einsteigen möchte, findet in dem Buch „Kalkfarben Kalkspachtel” von Stefan und Karin Pixner (siehe Kasten) ein umfassendes Nachschlagewerk. Das Buch beinhaltet die verschiedensten Facetten des Kalks, von seiner Gewinnung über die Verarbeitung bis hin zu seinen Eigenschaften. Es präsentiert Hersteller, Händler und Verarbeiter, die sich dem Kalk mit großer Leidenschaft verschrieben haben. Einige dieser „Kalkliebhaber” werden auch in dem hier abgedruckten Beitrag zitiert, für den das Buch als Grundlage diente.

Susanne Sachsenmaier-Wahl
Fotos:Dominik Parzinger,
Stefan Pixner
Quelle: Malerblatt 09/2012
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