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Züricher Kalkbreite

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Züricher Kalkbreite

Das Bauprojekt Züricher Kalkbreite macht auf sich aufmerksam und überrascht mit den Überlagerungen seines Farbkonzeptes.

Die auf genossenschaftlicher Basis erstellte Kalkbreite umschließt einen kompletten Baublock – und wirkt zunächst entsprechend voluminös sowie nach außen eher abweisend, trotz Knicken, Versprüngen und einer aus- und absteigenden Traufkante. Zu den unmittelbaren Nachbarn gehören Bürohäuser, historische Wohngebäude, eine Bahnlinie und ein Straßenbahn-Depot. Auch die Kalkbreite selbst ist ein solches Depot, zwei Etagen hoch und von gewerblich genutzten Flächen flankiert: Läden, ein Restaurant und sogar ein Kino finden in den unteren Geschossen Platz.

An einer Stelle freilich öffnet sich der Monolith und erlaubt über eine steile Treppe den Zutritt zum großen Innenhof, der eigentlich die Decke des Tram-Depots darstellt. Und von hier gelangt man auch in die Wohnungen, die sich bis in das oberste siebte Geschoss ziehen, 88 Einheiten sind es insgesamt, von Ein- bis Neunzimmerwohnungen. Ergänzt werden diese von einem Kindergarten, Übernachtungsmöglichkeiten, Besprechungsräumen sowie einer Großküche für die Bewohner.

Konstruktiv ist die Kalkbreite ein Betonskelett mit 500, in Holzständerbauweise vorgefertigten Fassadenmodulen. Mit 60 Millimeter starken Holzfaserplatten gedämmt, entspricht das Gebäude dem schweizerischen Minergie-P-Eco-Standard. Durch Variation der Dämmplatten-Rohdichten ließ sich die komplette Fassadenfläche von insgesamt 6000 Quadratmetern fugenlos ausbilden, die Dämmplatten dienen zugleich als Putzträger für den dreilagigen Kalkzementputz.


Auch hinsichtlich der Farbgestaltung macht die Kalkbreite auf sich aufmerksam: Je näher man dem Bau kommt, umso differenzierter wirkt er. Diesen Effekt konzipierte einmal mehr der Künstler Jörg Niederberger durch Überlagerung und feine Nuancierungen. Da die letzte Rillenputzlage in horizontaler Richtung negativ abgezogen wurde, ergab sich eine mehrere Millimeter tiefe Struktur mit zwei Ebenen, denen Niederberger unterschiedliche Farbtöne zuordnete. Die Fassaden zum Innenhof tragen als Basis einen Türkiston, die Außenfassaden vier Nuancen zwischen Gelb und Ocker – denn Niederberger teilte die Fassaden auch noch in orthogonale Teilbereiche auf. Die zweite Farbebene – silikatisch wie die erste – wurde dann mittels einer harten Rolle appliziert, die nur die obenliegenden Strukturbereiche erfasste – für die Außenfassaden kam ein warmes Grau zum Einsatz, die Innenfassaden tragen Gelb und Orange. Damit kehrt sich auch die Farblogik um: Außen vier Grundfarben plus eine Spitzenfarbe, innen eine Grundfarbe plus zwei Spitzenfarben. Auf diese Weise gelang es Niederberger, das Volumen des Baukörpers subtil, aber spürbar zu entschärfen – und zugleich das Auge durch die unterschiedlichen Ebenen zu überraschen. Auch das Innere des Gebäudes zeigt die Handschrift Niederbergers, gelbe Lasuren auf Sichtbeton, deckende Anstriche in intensiven Bunttönen für die Treppenhausbrüstungen.

Sockel aus Glasmosaik in drei Braunnuancen (links). Detail im Innenhof: Türkis als Grundfarbe, die Spitzen der Putzstruktur tragen mineralisch gebundenes Orange und Gelb. Fotos: Armin Scharf.

Armin Scharf

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Die Kalkbreite in Zürich wurde von der gleichnamigen Genossenschaft errichtet und bietet Raum für neue Wohnmodelle, die stark auf Gemeinschaft setzen. Für sein Farbkonzept erhielt der Künstler Jörg Niederberger 2014 den Sonderpreis des Schweizer Architekur-Award arc. Der Minergie-P-Eco-Standard entspricht dem deutschen Passivhaus, setzt aber zusätzlich hohe bauökologische Anforderungen voraus.

Standort: Kalkbreitestraße 2, Zürich
Farbkonzept: Jörg Niederberger, Büren (Schweiz)
Architektur: Müller Sigrist, Zürich

Quelle: Malerblatt 03/2016
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