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Kirche, Emden

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Kirche, Emden

Sechs Jahre lang standen die evangelisch-lutherische Kirche und das Gemeindehaus in der Emdener Ringstraße leer.

Der schlichte Klinkerbau war 1951 in für die Zeit typischer strenger Bauform errichtet und 2004 entwidmet worden. Das Haus lag bis 2010 im Dornröschenschlaf, bis die Architektin Luise Fauerbach-Geiken Gefallen an dem ehemaligen Sakralraum fand und gänzlich ohne Berührungsängste eine Vision entwickelte: Hier wollte sie mit ihrer „Planungsgruppe Ländlicher Raum” arbeiten und auch privat wohnen. Platz genug war da: Im nach dem Umbau immer noch sieben Meter hohen Erdgeschoss der Kirche und auf der Empore und des Gemeinderaums standen 180 Quadratmeter für Büroflächen und im ausgebauten Dachgeschoss 100 Quadratmeter für die privaten Räumlichkeiten zur Verfügung. Dass das Gebäude heute in seiner neuen Nutzung funktioniert und gleichzeitig der Charme und die Ausstrahlung eines Andachtsorts ablesbar geblieben ist – das hat mit dem behutsam geplanten und ebenso sensibel umgesetzten Sanierungskonzept zu tun. „Man kann mit dieser Art von Gebäuden auch etwas anderes anfangen, als sie abzureißen”, ist Luise Fauerbach-Geiken überzeugt. Zugute kam der Architektin und Stadtplanerin bei ihrem eigenen Projekt, das in der ostfriesischen Stadt einmalig ist, dass sie jahrelang auch als Denkmalpflegerin gearbeitet hatte. Die Kubatur des Gebäudes musste ebenso erhalten bleiben wie prägende Elemente, z. B. die bestehende Buntverglasung der Fenster. Das war Vorgabe des Denkmalschutzes. Fassadenseitig setzte die Bauherrin am Nordgiebel Veränderungen durch, um die Räume mit ausreichend Tageslicht zu versorgen. Das bestehende große Rundbogenfenster im Dachgeschoss wurde vergrößert und erhielt links und rechts zwei schmale Fenster dazu, die von einem kleinen Balkon eingefasst werden. Im Bereich des Erdgeschosses sind nun acht zusätzliche Fenster eingebaut. Ihre zentrierte Reihung – drei oben, fünf unten – fügt sich geometrisch harmonisch auf der spitzen Giebelseite ein. Und: Die acht neuen Öffnungen sind allesamt quadratisch. Dieses Format ist aus dem Grundriss des Gebäudes abgeleitet, das mit 12,65 zu 12,86 Metern auch nahezu quadratisch ist. Mit solchen subtilen Gestaltungsmitteln gelang es durchweg, trotz neuer Elemente, die äußere Gestalt und die Authentizität des Gebäudes beizubehalten.

Behutsame Lösungen

Auch beim Innenausbau ist es vor allem die Liebe zu vielen Details, die das Gestern und das Heute des Gebäudes zu einem gelungenen Ganzen zusammenführen. Das zweischalige Klinker-Mauerwerk erhielt innen einen neuen Verputz. Die Calciumsilikat-Beschichtung puffert Feuchtigkeit zuverlässig und hat zudem viel fürs Auge zu bieten: Der Putz ist im Wunschfarbton abtönbar, und seine feinkörnige Qualität lässt sich leicht strukturieren. Der Malermeisterbetrieb Ludwig Pauw aus Emden verarbeitete diese Beschichtung in einer warmweißen Nuance in den Büroräumen und der Wohnung als Leitfarbe. Weitere Maßnahmen, mit denen das Raumklima und die Energieeffizienz des Gebäudes verbessert wurden, bestanden in der Verlegung der Fußbodenheizung mit Trockenestrich und der Erstellung von weiteren Wänden in Trockenbauweise. Die neuen Fenster sind zweifach verglast, im Bereich der historischen Buntglasfenster werden die energetischen Nachteile durch Vorsatzfenster aufgefangen. Das Dachgeschoss erschließt eine neue Stahltreppe mit Holzstufen, die gleichwohl das Stilgefühl der 1950er-Jahre aufnimmt: Das Geländer zeigt mit mäandernden Schleifen ein typisches Ornament der Nierentisch-Ära. Die Lackierung verstärkt diese Wirkung noch: Die Maler akzentuierten diese Geländerteile mit einem besonders brillanten Dekolack.


Die Nordgiebelseite von innen: Die acht quadratischen, geometrisch angeordneten neuen Fenster belichten den Büroraum.


Feine Töne – feine Wirkung

Die differenzierte Raumgestaltung nimmt die pastelligen Farben und Schmuckformen der 1950er-Jahre auf und entwickelt sie modern weiter. Im großen Büroraum beeindruckt der Blick zur Decke: Hier verwirklichten Malermeister Pauw und sein Team eine großflächige Gestaltungstechnik. Mit der wasserverdünnbaren Effektspachtelmasse erhält der Raum einen edlen, in verschiedenen Glanzgraden von Gold bis Orange changierenden Abschluss. Erst auf den zweiten Blick zu erkennen ist ein Engelornament, das, einem Schatten gleich, in der Deckengestaltung an die ursprüngliche Nutzung des Gebäudes erinnert. Nach oben schauen – das lohnt sich auch im Entree des Hauses. Kleine Quadrate in den Schnittfeldern des Deckenrasters, ebenfalls in Goldbronze ausgeführt, zollen mehrfach Tribut: dem Grundriss des Gebäudes, einer beliebten Schmuckform der 50er-Jahre und in ihrem Glanz der Ehrwürdigkeit des Hauses. Zwei ebenfalls quadratische Lampen an der Wand, analog den Deckenquadraten auf einen Winkel gestellt, akzentuieren dieses geometrische Ornament zusätzlich.

Bis hinein in die Wohnung und die Nutzräume des Gebäudes finden sich viele weitere einfühlsam überlegte und umgesetzte gestalterische Kleinigkeiten. Vorhandene Fenster und Türen arbeitete der Malerbetrieb mit Alkydharzlacken in sehr zurückhaltenden Anthrazit-Tönen auf. Hier konnte die Bauherrin sicher sein, neben strapazierfähiger, aromatenfreier Qualität auch genau die gewünschte Farbnuance im vorgesehenen Glanzgrad zu finden. Mit abgesetzten Farbfeldern – z. B. mit einem hochgezogenen Sockel in den Toiletten oder mit in Kreativtechniken ausgeführten Kniestöcken im Dachgeschoss – wurde auf ganz unaufgeregte Art spannungsvoll gestaltet und doch der Charakter des Hauses gewahrt. Respekt vor dem Bestehenden zeigen und den Mut fassen, aus Vorhandenem Neues zu entwickeln – der Spagat ist bei dieser Umnutzung eines Sakralraums zu einem Büroraum auf beeindruckend leise Art gelungen.


Feierlich und frisch: Die Decke des hohen Gemeinschaftsbüros changiert in Goldorange-Tönen, die die Maler mit einer Effekt-Spachtelmasse ausgeführt haben.

Kompetenzen bündeln

Die Emdener konnten sich 2011 bei einem Tag der offenen Tür (der übrigens auf den Tag genau 60 Jahre nach Einweihung der Kirche stattfand) überzeugen, dass ihre alte Stadtteilkirche nach dem Umbau in einem guten Geist weiterlebt. Die Bauherrin, die sich mit ihrem Büro auch in Projekten für die Umnutzung ländlicher Altbausubstanz engagiert, wünscht sich von ihrem eigenen Bauvorhaben daher auch eine Signalwirkung. Bauen im Bestand bietet nicht nur den Nachnutzern, sondern auch den Gestaltern am Bau eine anspruchsvolle Aufgabe. Bei der Herausforderung, Altes zu bewahren und darin Neues zu schaffen, sind viele Kompetenzen gefordert. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Denkmalschützern, Planern, Handwerkern und Herstellern ist hier ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg. Beim Material- und Farbkonzept konnte sich die Bauherrin auf die gestalterischen Anregungen des Brillux Farbstudios Hamburg und die Technische Beratung durch die Niederlassung Oldenburg verlassen.


Die moderne Wohnung im Dachgeschoss spielt charmant mit den Gegebenheiten des Gebäudes und setzt Akzente, wie die fein gewählten farbigen Betonungen.

Fotos: Brillux

Marco Bock
Quelle: Malerblatt 07/2012

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