Startseite » Gestaltung » Inspiration »

Hotel Beethoven in Bonn

Inspiration
Hotel Beethoven in Bonn

Die Tage des Hotels Beethoven in Bonn sind gezählt – demnächst weicht es einem Neubau.

Bis dahin jedoch beherbergt das Hotel einen ganz besonderen Gast: Kunst. 50 Künstler haben die Räume dort uminterpretiert, zum Teil ausgesprochen farbenfreudig. Einst war Bonn, man erinnere sich, die Hauptstadt der Bundesrepublik. Ein bewusst gewählter, unspektakulärer Ort am Rhein, der aber dem Selbstverständnis der „Bonner Republik“ ideal entsprach. Vornehme Zurückhaltung und der Verzicht auf große Repräsentationsgesten kennzeichnen die Architektur dieser Zeit, nicht nur die der Regierungsbauten. Auch das Hotel Beethoven, direkt an der Rheinpromenade gelegen, entspricht diesem Understatement voll und ganz. In seinen besten Zeiten sah es illustre Gäste aus aller Herren Ländern, gehörte es zu den besseren Häusern am Ort.
Heute, zwanzig Jahre nach dem Mauerfall, ist der verhaltene Glanz ermattet. Längst zog die große Politik ins große Berlin, Bonn wurde zum Ort des Wandels. So steht das Hotel Beethoven zum Abriss bereit, wird in Kürze einer neuen Wohnbebauung weichen. Der Projektname „Rheinlogen“ lässt vermuten, dass es dann mit dem gebauten Understatement von einst vorbei sein wird. Zuvor jedoch, und das sei dem Investor Nord-Süd aus Stuttgart positiv angerechnet, öffnet sich das abrissgeweihte Gebäude nochmals der Öffentlichkeit und zeigt Kunst. 50 Künstler stellen dort aus, allerdings nicht in Galeriemanier, sondern sie machen die drei Etagen zur Kunst selbst. Das Hotel mit seiner nostalgischen Atmosphäre wird zum Gesamtkunstwerk, die einzelnen Werke verschmelzen mit den Räumen, es sind Wandmalereien, Fotografien, Objekt- oder Videoinstallationen. Nicht wenige davon werden mit dem Abriss ebenfalls verloren gehen.

Ein letztes Mal Vollbelegung

Weil alle Hotelzimmer quasi ein letztes Mal ausgebucht sind, nennt sich die Aktion „Fully booked“, entwickelt wurde sie von „Moving Locations“. Dieser 2006 gegründete Verein beruht auf der Idee, das sich wandelnde Bonn künstlerisch zu beleben, zu interpretieren und zu thematisieren. Christine Rühmann und Sjaak Beemsterboer sind die Macher hinter „Moving Locations“. Anfang 2009 war die Idee der Hotelaktion geboren, der Investor wurde überzeugt, die Immobilie als temporären Kunstort zur Verfügung zu stellen. Die 59 Räume waren offenbar schnell ausgebucht, jedenfalls schienen viele Künstler von der Idee begeistert.
Interessant ist das Projekt auch deshalb, weil es keine Einschränkungen für die künstlerische Nutzung der Komplexe gab. Und so wurden Räume komplett in Farbe getaucht, Wände entfernt oder der Fußboden völlig verfremdet. Wer von Zimmer zu Zimmer wandert, taucht ein in eine Vielfalt unterschiedlicher Raumerlebnisse, in ein Wechselbad von Eindrücken und Emotionen.

Kunst rundum

Weil sie von allen Seiten, von den Wänden, der Decke und dem Boden ausgeht, ist die Raumerfahrung hier eine ganz besondere. Und schließlich gibt es da noch die ehemalige Hotelküche, befreit von den mächtigen Gerätschaften dient sie die letzten Monate ihrer Existenz als Veranstaltungsraum für Musik, Lesungen, Tanz und Theater. Ende Februar wird dann wohl die Abrissbirne anrücken, „Moving Locations“ einen anderen Ort suchen. Bis dahin aber kann sich das Auge und die Seele an den Arbeiten erfreuen – einen fulminanten Vorgeschmack bietet bereits das Foyer. Achim Zeman hat dessen Wände und Decken ansatzlos mit polygonen, magentafarbenen Flächen überzogen: Die Konturen lösen sich auf, immer wieder verdichten sich die Formen zu Zentren, die in die Metaebene des Räumlichen zu leiten scheinen. Die verwirrende Optik von „verquer“, wie Zeman seine Arbeit nennt, steht in krassem Widerspruch zur sonst klaren Baustruktur. Und das grelle Magenta bildet ein Komplementär zum leuchtend grün gefassten Sockelgeschoss des Gebäudes – auch das gehört zur temporären Kunstaktion, dient als visuelles Ausrufezeichen nach außen, als Signal des Umbruches in der ehemaligen Bundeshauptstadt.

Armin Scharf
Quelle: Malerblatt 03/2010
 


Achim Zeman macht im Foyer keinen Unterschied zwischen Decke und Wänden – „verquer“ überlagert alles mit sich hier und da zu Zentren verdichtenden Polygonen.

Zimmer 103 hat Jan van der Ploeg komplett schwarz gefärbt. Diesen Hintergrund überlagern vier miteinander verwobene Farbstreifen, die im Schwarzlicht fluoreszieren. „Wall Painting No. 272“ ist geheimnisvoll, weil die Schwärze alles verschlingt und nur die Leuchtstreifen eine fragile Statik bilden.

Haftnotiz an Haftnotiz fügte Yvo Hartmann im Zimmer 119 aneinander, so dass üppige Farbflächen entstehen. Die Arbeit „Cover 21“ spielt damit auf die politische Verwaltung an, so entpuppt sich die zentrale Säulenskulptur als eine Ansammlung unzähliger Briefklammern.

Zimmer 205 tauchte Reinhard Doubrawa komplett in einen pastellenen, kalten Blauton. Weißes Licht dringt von draußen in den ansonsten unbeleuchteten Raum und inszeniert den Nachbau eines einzelnen weißen Koffers mit unbekanntem Inhalt – daher der Titel „Luggage“.

Laura Bruce inszeniert in Zimmer 226 „Bubble“, bestehend aus einer Kohlezeichnung, die an Wolkenformationen oder an das Blätterdickicht eines riesigen Baumes erinnert. Davon ausgehend erstreckt sich eine Lache aus fluoreszierendem Pastellgrün über den Boden bis an die gegenüber- liegende Wand hinauf.

Die „Naturstudie“ von Christian Schlosser im ersten Stock ist ein blaues Doppelband, das sich permanent selbst umschlingt. Das erinnert an ungestümes pflanzliches Wuchern – oder an den Alptraum eines nie endenden Autobahnkreuzes.

„Room broadcast“ nennt sich die Schriftinstallation von Tony Trehy in 317. Die Texte an Wand und Decke sind keine zusammen- hängenden Texte, sondern den Abmessungen des Raumes angepasste Fragmente.

Der komplett in tiefes Blau getauchte Raum ist ein Nichtraum im Raum, eine so genannte Dislokation. „Eiskalt“ wurde von Rita Rohlfing in Raum 324 installiert. Fotos: Rühmann/Beemsterboer, © VG-Bildkunst, Bonn 2009
Aktuelle Ausgabe
Titelbild Malerblatt 3
Ausgabe
3.2024
ABO
Malerblatt Wissenstipp

Malerblatt Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Malerblatt-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Malerblatt-Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Malerblatt-Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de