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Fassadengestaltung Teil 2

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Fassadengestaltung Teil 2

Die Proportionen eines Gebäudes geben Auskunft über das Gebäudealter und nachträgliche Veränderungen.

Fassadenlook

Unter dem Begriff Proportion versteht man immer das Verhältnis, welches mindestens zwei Teile zueinander haben. Bezogen auf die Architektur einer Fassadenansicht geht es um das Verhältnis von der Breite der Fassade zu ihrer Höhe, fachspezifisch ausgedrückt: zu ihrer Höhenentwicklung und zu den Maßen, die sich in die räumliche Tiefe entwickeln. Betrachten wir die Höhenentwicklung des Gebäudes vom Sockel bis zur Traufe können wir zum Beispiel sehr leicht die Höhe der Geschosse abschätzen.

Die Fassade

Diese Raumproportionen erzählen dem gestaltenden Betrachter häufig auch etwas über das Alter und die etwaige Bauzeit des Objekts. Geschosshöhen von mehr als drei Metern findet man im Wohnungsbau in der Regel nur in den Altbauten der Jahrhundertwende vom 19. ins 20. Jahrhundert. Damals wurde gerne repräsentativ gebaut und über Heizkosten hat man nicht so nachgedacht wie heute. Auch die Fassadenausbildung gestaltete sich demnach eher repräsentativ: Neben Natursteinmaterial gibt es gerne größere verputzte Flächen, die häufig auch noch eine besondere Struktur aufweisen.

Niedrigere Geschosshöhen kommen entsprechend in älteren Fachwerkgebäuden vor, manchmal so niedrig, dass ein erwachsener Mensch von heute schon mal mit seinem Kopf an die Decke stößt. Die genormte Geschosshöhe von etwa 2,25 bis 2,50 Metern kommt in der Regel in den Gebäuden der Nachkriegsarchitektur und der modernen Bauweise vor. Bei diesen Fassaden finden wir meistens einen feineren Putz, der mit einer Dispersionsfarbe gestrichen wurde. Ein senkrecht stehendes Rechteck, also eine Fassade mit einer schmalen, hohen Proportion, wirkt auf den Betrachter anders als ein langgezogener Block, einem liegenden Rechteck. Das schmale, hohe Rechteck steht in der Wahrnehmungstheorie für Aufmerksamkeit, das liegende Rechteck für Beruhigung und Ausgeglichenheit.

Bei der Farbwahl kann man darauf reagieren und bei schmalen, hohen Gebäuden eher zu dunkleren, mehr gesättigten Farbtönen greifen, während sich das breite, liegende Gebäude eher für eine ausgeglichene, ruhige Farbgebung in Pastellfarbtönen eignet. Auch aus den Sockelzonen kann man einiges ablesen. In historischen Städten wie z. B. in Venedig, Florenz oder auch im Berlin der Gründerzeit kann ein Sockel schon mal das ganze Erdgeschoss umfassen. Bei Neubauten heute verzichtet man zum Teil ganz auf einen Sockel oder setzt höchstens eine etwa einen Meter hohe Sockelzone farbig ein wenig ab, um Spritzwasserflecken zu vermeiden.

 

Das Dach

Bei der Betrachtung der Dachform und der Dachzone eines Objektes unterscheiden wir zwischen giebelständiger und traufständiger Bauweise. Baugeschichtlich war es so, dass man früher mehrheitlich sein Haus „giebelständig” zur Straße hin baute, um das schöne Gesicht der Fassade dem Stadtbild hinzuzufügen. Ein Problem war aber immer die Ableitung des Regenwassers über die Dachrinnen, die meistens zwischen zwei Häusern sehr schwer zugänglich waren und häufig verschmutzten. Aus diesem Grund sind viele giebelständige Stadthäuser im Laufe der Zeit zu traufständigen Häusern umgebaut worden. Mit dieser baulichen Veränderung ging aber auch eine ästhetische Umwandlung des Stadtbildes einher. Die Dachzone in ihrer Proportion zur Gesamtfassade gibt es in sehr unterschiedlichen Ausprägungen. Die großen Dächer der Schwarzwaldhäuser drücken mit einer unglaublichen Masse auf den kleinen Rest der verputzten oder Holz verschindelten Fassade. Dem gegenüber prägen so manche Historismus- oder Jugendstilfassaden unsere heutigen Stadtbilder, in welchen wir das Dach aus der Sicht des Fußgängers kaum noch wahrnehmen können. Moderne Bürogebäude bieten Flachdächer als Attikageschoss ausgebildet, welche nur noch aus der Vogelperspektive wahrnehmbar sind.

Gliederung der Öffnungen

Betrachten wir das Gesicht eines Hauses tiefergehend, so fällt auf, dass die umhüllende geschlossene Wandfläche an vielen Stellen durch Öffnungen wie Fenster und Türen unterbrochen wird. Diese Öffnungen wirken, je nach Tageszeit mal wie schwarze, dunkle Löcher, mal wie Spiegel, die das Tageslicht oder den Sommerhimmel reflektieren. Sie sind häufig gegliedert. Dabei entsteht entweder ein symmetrischer oder asymmetrischer Fassadenaufbau. Auch aus diesen Informationen können wir wieder Schlüsse zur Geschichte des Gebäudes ziehen. Die Architekturen des Klassizismus, des Barock und der Renaissance hatten beispielsweise eine besondere Vorliebe für die Symmetrie. Sowohl in der Grundriss- wie in der Fassadengestaltung war die Form immer auf eine Symmetrieachse bezogen. Das ging bis in den Städtebau hinein, so dass ganze Stadtanlagen symmetrisch angelegt wurden. Durch diese Symmetrie wird in der Regel die Form eines Eingangs in ein Gebäude besonders hervorgehoben und oft durch die Farbe noch unterstützt. Wo der Grundriss keine Fenster zulässt, wird dann an der Fassade einfach ein Illusionsfenster aufgemalt, damit die Symmetrie wieder stimmt. Diese Formensprache wurde in den Fassaden der Gründerzeit, dem Neobarock oder der Neorenaissance gerne beibehalten. Auch der Jugendstil und die Architektur der 30er-Jahre übernimmt diese Gliederung und erst in neuerer Zeit werden solche Gliederungen auch asymmetrisch ausgeführt, als Ausdruck einer neuen Formensprache. Sehr häufig informiert uns ein asymmetrisch angeordnetes Fassadenbild auch über die verschiedenen Überbauungsphasen. Besonders in den 50er- und 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts wurden die Eingangsbereiche von Wohn- und Geschäftshäusern im großen Stil umgestaltet und den Häusern ihr ursprüngliches Erscheinungsbild genommen. Hier wurden feste, massive Wandflächen durch große Fensterzonen ersetzt, der Fassade wurde die optische Standfestigkeit entzogen. Hier hat in den letzten Jahren ein Umdenken eingesetzt bei der Renovierung alter Bausubstanz. Heute versucht man gerne, wenn möglich, den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen.

Bei großen, spiegelnden Glasflächen fehlen dem Gestalter die Flächen, um eine Fassade wieder in ein optisches Gleichgewicht zu bringen. Hier braucht es oft architektonische Eingriffe. Manchmal hilft es aber alleine schon, den einen oder anderen Fensterrahmen durch reine, klare und helle Farbtöne aus dem Dunkel der Glasfläche herauszuholen und Akzente zu setzen. So kann allein ein Farbton das optische Gleichgewicht in einer Fassade wieder herstellen und für ein harmonisches Aussehen im Gesamtbild sorgen.


Giebelständige Bauweise am Marktplatz in Schwäbisch Hall.

Einen asymmetrischen Fassadenaufbau zeigt das Ifflinger Schloss in Fridingen an der Donau.

Hier wurden im Trompe-l’œil Fenster aufgemalt, um die Symmetrie wieder herzustellen.

Bei Umbauarbeiten wurden häufig die Proportionen stark verändert. Das zeigt auch dieses Beispiel.

Typisches Beispiel für die Anordnung der Symmetrieachsen im modernen Wohnbau

Bei den Renovierungsarbeiten wird die ursprüngliche Gliederung vor der Überformung erkennbar.

 

Matthias Gröne, HS Esslingen
Quelle: Malerblatt 09/2014
Fotos: Matthias Gröne
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