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Farbige Fassaden, Teil 3

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Farbige Fassaden, Teil 3

Mit der Farbgestaltung an und in Gebäuden können auch die Ziele Dekoration und Illusion verfolgt werden.

Neben den in den ersten Folgen genannten Aspekten der Symbolik und der Kommunikation über Farbe können andere Gestaltungsabsichten rein dekorativen Charakters sein. Die Verwendung alter, historischer Techniken in neuem Gewand ist sicher eine Zeiterscheinung, über die wir vielleicht in 10 bis 20 Jahren lächeln werden, so wie wir heute die Modeerscheinungen der 60er- oder 70er-Jahre schmunzelnd betrachten. Die Hintergrundbilder der Moderatoren der Fernsehstudios geben Zeugnis über eine Art Manie, neue, kreative und auffallende Techniken auch in den Medien einzusetzen.

Der schöne Schein einer gemalten Tür in der Villa d’Este in Tivoli.


 

Dekoration

Zu diesen „dekorativen Techniken” gehören zum Beispiel Lasur- und Spachteltechniken, die mittlerweile ihren Markt in der Farb- und Lackindustrie gefunden haben. Diese Techniken beziehen sich jedoch im Schwerpunkt auf die Innengestaltung von Räumen. In der Fassadengestaltung findet man noch sehr selten Beispiele für eine gelungene Gestaltung. Das hängt einerseits mit den besonderen Beanspruchungen im Außenbereich zusammen, andererseits stellt sich der Gestalter hier viel eher der öffentlichen Kritik, das heißt, es ist viel mehr Sensibilität und eine gute Zusammenarbeit zwischen Architekt und Farbgestalter gefragt. Im Jahr 1908 schrieb der österreichische Architekt Adolf Loos einen Aufsatz zu dem Thema „Ornament und Verbrechen”. Er galt als einer der größten Gegner des Dekorierens von Fassaden und Innenräumen in der Zeit des Historismus und des Jugendstils und vertrat die reine und klare Formensprache der modernen „Bauhausarchitektur” der neuen 20er-Jahre.

Zitat: „Das Fehlen des Ornamentes hat eine Verkürzung der Arbeitszeit und eine Erhöhung des Lohnes zur Folge. Der chinesische Schnitzer arbeitet sechzehn Stunden, der amerikanische Arbeiter acht. Wenn ich für eine glatte Dose so viel zahle wie für eine ornamentierte, gehört die Differenz an Arbeitszeit dem Arbeiter. Und gäbe es überhaupt kein Ornament — ein Zustand, der vielleicht in Jahrtausenden eintreten wird –, brauchte der Mensch statt acht Stunden nur vier zu arbeiten, denn die Hälfte der Arbeit entfällt heute noch auf Ornamente. Ornament ist vergeudete Arbeitskraft und dadurch vergeudete Gesundheit. So war es immer. Heute bedeutet es aber auch vergeudetes Material, und beides bedeutet vergeudetes Kapital.”

Aber waren nicht genau die ornamentalen Aussagen in der Fassadengestaltung diejenigen, die uns in unserer Kultur eine solche Fülle von Stilrichtungen gegeben haben und unsere Stadtbilder so reizvoll machen und gemacht haben? Eine gute, handwerklich sauber ausgeführte „dekorative” Arbeit kann eigentlich nur als eine Bereicherung unserer oft viel zu tristen, grauen Stadtbilder angesehen werden.

Eine Glättetechnik wurde an den Fassaden dieser Wohnhaussiedlung in einer nord- italienischen Kleinstadt ausgeführt.

 


 

Illusion

Die aufgemalten Fenster historischer norditalienischer Städte zeigen uns eine andere Funktion von Farbe in der Fassadengestaltung auf. Durch die Besteuerung nach der Zahl der Fenster eines Hauses sahen sich die Bürger mancher Städte gezwungen, zu den Mitteln der Illusionsmalerei zu greifen, um die Harmonie des Fassaden- bzw. Stadtbildes nicht zu stören. Erst auf den zweiten Blick und bei genauer Betrachtung bemerkt man, dass an manchen Fassaden die Fenster nur aufgemalt sind und zwar täuschend echt durch das Licht- und Schattenspiel der verwendeten Maltechnik. Besonders die Stilepoche des Barocks bediente sich dieser Technik der Illusionsmalerei. Gemalte Landschaften auf Wandflächen, Himmelsdarstellungen in Kirchenkuppeln oder die Fortführung von Gebäudeteilen mithilfe der Illusion sind effektive Mittel, das Erscheinungsbild von Räumen oder Straßenzügen zu verändern, größer, weiter und imposanter erscheinen zu lassen. Dieses „Trompe l’oeil” – eine Augentäuschung – findet man heute gerne mit witzigen Beispielen bei der Gestaltung von Brandwänden in den Großstädten, aber auch in repräsentativen Empfangsräumen oder in unseren neuen Wellnesstempeln. Hier geben wir uns gerne der Illusion hin, in eine andere Welt zu schweben.

Ungewöhnliche, expressive Eck- und Fassadengestaltung an einem Wohn- und Geschäftshauses in Biberach


 

Naivität und Expression

Sicherlich ist es bis zu einem bestimm-ten Angemessenheitsgrad auch zulässig, naiv-expressiv an die Fassade zu gehen, obwohl so manchem Denkmalschützer, Farbgestalter oder Architekt beim Anblick solcher Ensemblelösungen ganz einfach die Sprache wegbleibt.
Expression bedeutet, sich ausdrücken über das Mittel Form und/oder Farbe. Kunstgeschichtlich haben uns die Expressionisten wie Wassily Kandinsky oder Emil Nolde zu Beginn des 20. Jahrhunderts diese Stil- und Kunstrichtung vorgelebt. Bei beiden handelt es sich aber um „Bildende Künstler”. Die Umsetzungen in Form und Farbe an der Fassade, der „Angewandten Kunst”, finden wir dann fast zeitgleich wieder bei Bruno Taut mit seinen expressiven Farbgestaltungen der Wohnanlagen in Berlin und Magdeburg. Nicht umsonst bekommen seine Siedlungen im Volksmund den Namen „Tuschkasten- oder Papageiensiedlung”.
Die Frage ist, inwieweit eine Stadt oder ein Ort so etwas verkraftet. Gemäß einem Gerichtsurteil, veröffentlicht in den Stuttgarter Nachrichten aus dem Jahr 1972, verurteilte ein Mannheimer Gericht einen Gebäudebesitzer, der von Naturschützern angeklagt wurde, den Gegensatz zwischen Landschaft und Gebäude bis zur Hässlichkeit durch zu kräftige Farbakzente gesteigert zu haben, dazu, „eine gedeckte Farbe drüber zu streichen, die das Empfinden eines für ästhetische Eindrücke offenen, jedoch nicht besonders geschulten Betrachters nicht verletze.” So ist unsere Rechtsprechung. Ähnliche Gerichtsurteile sind auch aus dem Bereich der Fassadenwerbung bekannt, welche vom „ästhetischen Empfinden eines sogenannten Durchschnittsbetrachters” ausgehen.
Belassen wir es soweit bei den Zielen und Absichten eines Gestaltungsvorhabens.
In den folgenden Aufsätzen wenden wir uns der Farbkonzeption zu und betrachten, welche Mittel und Methoden man bei einer Fassadengestaltung einsetzen kann.

Prof. Matthias Gröne, Hochschule Esslingen
Fotos: Matthias Gröne, Jäger Lacke
Quelle: Malerblatt 04/2013

Fassadengestaltung in Sgraffito-Technik bei einem Wohnhaus in Las Palmas, Gran Canaria.

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