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Pigmente Teil 6

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Pigmente Teil 6

Bindemittel der Sammelbegriff für Produkte, die Pigmentteilchen miteinander und die Farbschicht mit dem Untergrund verbinden.

Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts verwendete man in der historischen Malerei hierfür hauptsächlich pflanzliche und tierische Stoffe wie Eiweiße, Öle, Harze, Pflanzengummen und auch Wachse.

Die Trocknung erfolgte entweder rein physikalisch durch Verdunsten der Lösungsmittelbestandteile wie bei Harzen und Gummen, in einigen Fällen physikalisch/chemisch, wie z.B. beim Eigelb, indem das nach dem Verdunsten zurückbleibende Bindemittel nachträglich noch aushärtete und unlöslich wurde, oder auch rein chemisch, wie bei den Ölen. Die Informationen, die wir heute über die Verwendung besitzen, beruhen hauptsächlich auf später gemachten Analysen, weniger auf Aufzeichnungen der Künstler. Erst seit den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts war es mittels der Gaschromatografie möglich, Bindemittel, insbesondere trocknende Öle, exakt zu bestimmen. Bei Bindemitteln handelt es sich in der Regel nicht um einheitliche Substanzen, vielmehr kommen sie schon in der Natur in Verbindung mit Verflüssigungsmitteln vor oder sie werden aus technischen Gründen mit Verdünnungsmitteln kombiniert. Wird beispielsweise ein Harz mit Terpentinöl versetzt, entsteht eine Harzlösung, welche dann als Bindemittelsystem fungiert. Ein anderes Beispiel ist trockenes Leimgranulat, versetzt mit Wasser, welches eine bindende Leimlösung ergibt. Häufig wird in der Literatur nur unterschieden zwischen Tempera- und Ölmalerei. Das ist aber eigentlich zu ungenau. „Temperare” heißt auf deutsch „richtig mischen”. Das heißt, bei der Temperamalerei handelt es sich um Farbaufträge, welche Bestandteile besitzen, die aus wässrigen und nicht wässrigen Substanzen bestehen und wiederum durch einen Emulgator zusammengehalten werden.


Heute wird der Begriff Temperamalerei weitgehend verwendet für die Formen der Malerei, die ein überwiegend wässriges Bindemittel besitzen. In der Ölmalerei verwendete man Malöle wie Walnuss-, Lein- oder Mohnöle, welche durch Autooxidation (Sauerstoffaufnahme) trockneten und sich verfestigten. Wie bereits bei den Pigmenten angesprochen, gab es jedoch immer wieder Probleme mit der Trocknung, abhängig vom verwendeten Pigment. Schwarz ließ sich in der Regel nur schlecht anreiben und trocknete sehr langsam, Kupferpigmente dagegen beschleunigten den Trocknungsprozess zu stark. Eidotter, Glutinleime und Pflanzengummen gehören zu den ältesten Bindemitteln in der historischen Malerei.

Manchmal wurde auch Kalkkasein zur Grundierung, Verleimung oder als Bindemittel in der mittelalterlichen Tafelmalerei verwendet. Eigelb ist eine natürliche Emulsion aus Eigelb, Wasser und fettem Öl und war das wichtigste Bindemittel in der frühitalienischen Tafelmalerei. Es war eine Kunst, das Ei so aufzuschlagen, dass das dünne Häutchen, welches das Dotter zusammenhält, nicht mit in die Mischung gelangte. Bis ins 16. Jahrhundert war es das meistgebrauchte Bindemittel. Erst allmählich setzten sich dann die öligen Bindemittel durch.

Zum Vorleimen der Bildträger wurde hauptsächlich der Eiweißstoff Glutin als Warmleim verwendet. Glutin wurde aus Fischabfällen, Knochen, Leder, tierischer Haut oder Pergament hergestellt. Diese Leime fanden auch beim Anreiben von Pigmenten und zur Farbherstellung Verwendung. Der teuerste Leim war Störleim, hergestellt aus den Fischblasen verschiedener Störarten. Mit dem feinen Pergamentleim rieben die Künstler des 14. Jahrhunderts das Azurit und das Ultramarin an, denn wenn man diese Pigmente mit Eigelb oder Öl anrieb, verfärbten sie sich. Hautleime waren in der Regel elastischer als die spröden Knochenleime, die aus Fischgräten oder Tierknochen gekocht wurden. Auch Pflanzengummen waren schon seit dem 8. Jahrhundert bekannt. Es handelt sich hierbei um Ausscheidungen von Bäumen und Sträuchern. Mit Wasser bilden diese Gummen eine kolloide Lösung, die die Künstler allein oder auch als Verdicker in öligen Emulsionen verwendeten. Gummiarabikum ist das Sekret einer afrikanischen Akazienart, in seinen Eigenschaften ähnlich dem Kirschgummi, welches aus Ausscheidungen von Kernobstbäumen hergestellt wurde. Ein dem Gummiarabikum verwandter Stoff ist das Traganth, welches aus verschiedenen Arten von Dornensträuchern gewonnen wird. Es wird heute vornehmlich zur Herstellung hochwertiger Aquarellfarben verwendet. Ein weiteres Bindemittel ist das Kopal, ein Baumharz, welches aus Erdablagerungen von Fossilien gewonnen wird. Cyklokautschuk ist ein künstlich hergestelltes Bindemittel, welches im schweren Korrosionsschutz Verwendung findet oder für stark beanspruchte Fußbodenanstriche eingesetzt wird.


Leinöl, Walnussöl und Mohnöl gehören zu den wohl wichtigsten Bindemitteln in der historischen Malerei. Sie oxidieren durch Sauerstoffaufnahme aus der Luft unter gleichzeitiger Molekülvergrößerung. Die Pigmente wurden im Rahmen dieses Trocknungsprozesses unlöslich eingebettet. Dieser Prozess konnte sich, je nach Schichtdicke des Farbauftrags, sogar über Jahre bis zur vollständigen Trocknung hinstrecken. Gerne fügte man den Mischungen metallhaltige Pigmente zu, da diese den Trocknungsvorgang beschleunigten. Die Verwendung solcher trocknender Öle geht zurück bis in die Antike und ist durch Aufschriebe belegt. Aber erst seit dem 14. Jahrhundert lösen sie bei uns in Europa langsam die Ei- tempera in der Malerei ab.

Welche Öle die Künstler verwendeten, war sehr unterschiedlich, der eine bevorzugte das stabilere Leinöl, welches jedoch im Laufe der Zeit zum Vergilben neigte, der andere die langsamer trocknenden, aber nicht vergilbenden Mohn- oder Walnussöle. Das hatte wiederum auch mit der Helligkeit der Pigmente zu tun, denn bei den dunklen Farbtönen fiel das Vergilben nicht auf. Wachs als Bindemittel hatte in der Antike eine besondere Rolle gespielt, das zeigen Mumienbildnisse aus der Oase Fayum in Ägypten aus dem 1. Jahrhundert n.Chr. Wachse waren in diversen Formen auf dem Markt: in erwärmtem Zustand, in Lauge gelöst oder als Wachssalbe, welche mit einem organischen Lösungsmittel versetzt wurde. Die Verwendung von Wachsen als Bindemittel reicht bis ins 18. Jahrhundert.

Lacke

Mit der industriellen Revolution Mitte des 19. Jahrhunderts macht die Entwicklung der Bindemittelsysteme eine sprunghafte Entwicklung auf dem Gebiet der Lacktechnologie. In China hatte man den Saft des Lackbaumes als Bindemittel schon weit vor unserer Zeit verwendet. In unserer westlichen Kultur kommen industriell gefertigte Öllacke zum ersten Mal erst um 1850 in England auf den Markt. Im Jahr 1882 gab es in Deutschland dann schon 1.105 Betriebe, die Lacke herstellten. Vollständig synthetisierte Bindemittel wie Phenol- und Harnstoffharze ersetzten so nach und nach die herkömmlichen, aus der Natur gewonnenen Bindemittel. Im Jahr 1927 wurde beispielsweise der Begriff Alkydharz für ein künstlich hergestelltes Naturharz eingeführt, später als Kunstharz bezeichnet. Beim klassischen Malerlack und bei den Einbrennlacken in der Automobilindustrie findet dieses Harz als Bindemittel seine Anwendung. Eine besondere Bedeutung wird heute dem Umweltaspekt zugeschrieben. So kommen derzeit immer mehr sogenannte Wasserbasislacke mit einer Vielzahl neuer Bindemittelprodukte auf den Markt.

Fotos: Ines Galm, Matthias Gröne
Autor: Prof. Matthias Gröne, HS Esslingen
Quelle: Malerblatt 08/2012
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