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Pigmente Teil 1

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Pigmente Teil 1

Farben, Lacke und Beschichtungen schützen die unterschiedlichsten Untergründe vor Zerfall und Korrosion.

Sie bewirken so eine längere Lebens- und Nutzungsdauer von Werkstoffen. Dies schont unsere Rohstoff- und Energiereserven und trägt mit zur Entlastung unserer Umwelt bei. Moderne Beschichtungssysteme leisten somit einen aktiven Beitrag zum modernen Umweltschutz und dienen auch der Verschönerung unseres Alltags. Nahezu jedes Produkt wird mit einer schützenden und ästhetisch ansprechenden Oberfläche gestaltet. Die wesentlichen Bestandteile von Beschichtungssystemen sind neben den Bindemitteln und verschiedenen Lösemitteln und Zusatzstoffen die Pigmente. Die Mehrzahl der auf dem Markt befindlichen Pigmente wird heute vornehmlich synthetisch hergestellt. In dem mit diesem Beitrag startenden Mehrteiler wird die Entwicklung von Pigmenten und Bindemitteln aufgegriffen und näher erläutert.

Verschiedene Pigmente

Bis ins 19. Jahrhundert hinein stellten sich die Künstler ihre Farben aus natürlich vorkommenden anorganischen Pigmenten, künstlich hergestellten anorganischen Pigmenten und natürlichen organischen Pigmenten her. Die bahnbrechende Entdeckung des 19.Jahrhunderts war die vierte Gruppe der künstlichen organischen Pigmente. Zu den natürlich vorkommenden anorganischen Materialien gehören z.B. die farbigen Erden Zinnober, Azurit, Lapislazuli, Auripigment und Malachit. Die Mineralien mussten vor dem Anreiben mit einem Bindemittel in einem Mörser zerstoßen werden. Die fertig angeriebenen Farben wurden in Muscheln, kleinen Gefäßen oder Farbblasen aus Häuten aufbewahrt und gelagert. Die Pigmente bezogen die Künstler von spezialisierten Pigmenthändlern oder von Apothekern. Diese gehörten beispielsweise in Florenz der gleichen Gilde an wie die freien Künstler. In Europa waren Venedig und Nürnberg die Zentren des Pigmenthandels. So wurden Grünspan und Krapp aus den Niederlanden und Karmin aus Polen über Nürnberg als Zentrum nach Italien geliefert, und Bleiweiß, Mennige und Bleizinngelb kam aus den deutschen Bergwerken in die südlichen Städte. Die den Künstlern zur Verfügung stehende Farbpalette war aber verglichen mit heute eher klein.

Geschichtlicher Überblick

Erdfarben wie Ocker oder Umbra, bestimmte Erze wie Eisenoxid oder Manganoxid sowie Holz- oder Knochenkohle wurden bereits in der prähistorischen Zeit z. B. bei den Höhlenbildnissen von Lascaux und Altamira verwendet. Zu Beginn der ägyptischen Kultur um ca. 8000 v. Chr. kam es zu ersten Siedlungsformen, die man evtl. schon als Städte bezeichnen kann. Als Maluntergründe wurden die Mauern der Tempel und Grabkammern, Steinkonstruktionen, Holz und Keramik verwendet. Hier, im alten Ägypten erschienen zum ersten Mal grüne und blaue Pigmente als künstlich hergestellte anorganische Pigmente. Die ägyptischen Frauen schminkten ihre Augen mit grünem Pulver von zerstoßenem Malachit. Die Verwendung von einigen giftigen Stoffen wie z.B. dem Auripigment in der Kosmetik war durchaus die Regel. Ägyptisch Blau wurde zu dem am meisten verwendeten Pigment in Ägypten. Auch erfanden sie das blaue Glas Smalte, welches bei den Abbildungen der Pharaonen zur Darstellung von Augen, Haaren und Schmuck diente. Die Farbe Blau war die Farbe des Göttlichen. Der Edelstein Lapislazuli wurde zunächst nicht zur Herstellung von Pigmenten sondern als Schmuckstein verwendet. Dagegen fanden die edleren Metalle wie Gold, Silber und Kupfer als Farbmittel eine breitere Anwendung.


Erst tausende Jahre später tauchte die Farbe Rot in Europa zum ersten Mal als Zinnoberpigment bei den alten Griechen und den nachfolgenden Römern auf. Die Römer bauten das rote Quecksilbererz in Almadén in Spanien in großen Mengen ab, das Pigment war wegen seiner intensiven Farbgebung sehr beliebt, aber auch sehr teuer. Die Wandmalereien in Pompeji bezeugen die Verwendung und Beliebtheit von roten Pigmenten wie Zinnober und Realgar. Auch Bleiweiß und Bleimennige war den Römern bekannt. Es hatten sich neue Handelswege in den fernen Osten ergeben und Indien exportierte zunehmend natürliche organische Materialien wie z.B. Indigo und Harze, mineralische Gesteine und andere Farbstoffe nach Europa.

Über die Kreuzfahrer und die Mauren gelangten im 8. Jahrhundert n. Chr. die Kenntnisse des Orients nach Mitteleuropa und seit dem 12. Jahrhundert war Venedig Handelsplatz für Farben aus der damaligen Welt. Der Reichtum einiger venezianischer und florentinischer Adelsfamilien förderte die Künste und aus diesem Grund zog es Maler und Künstler aus der ganzen Welt in die damaligen Metropolen nach Italien. Ein sehr guter Auftraggeber war von jeher die Kirche. Mit dem Maler Giotto di Bondone erlebte die Freskomalerei in der Frührenaissance eine Blütezeit. Der Florentiner Maler Cennino Cennini verfasste als erster ein Handbuch über die Malerei, das Libro dell’arte o trattato della pittura (Das Buch über die Kunst oder ein Traktat über die Malerei). Dieses um 1390 geschriebene Handbuch war das einflussreichste Lehrbuch über die Malerei des Spätmittelalters und ist bis heute von einer besonderen kultur- und kunstgeschichtlichen Bedeutung. Hierbei handelt es sich um das erste Dokument, in welchem ein professioneller Künstler Geheimnisse des Malerhandwerks preisgibt.

Kalkechte Pigmente

In der Freskomalerei war die Kalkverträglichkeit der Pigmente ein besonderes Problem. So wurden z.B. blaue Farbtöne in der Regel a secco aufgetragen, weil das Blau nicht kalkverträglich war. Die Palette an Farben reichte von den Erdfarben wie gelber Ocker oder Terra di Siena über die gängigen Mineralfarben bis hin zu synthetisch hergestellten Pigmenten wie Bleizinngelb oder Smalte. Ab dem frühen Mittelalter wurde das aus dem Lapislazuli gewonnene sog. Fra Angelico Blau (das Ultramarin), benannt nach dem Mönch und Maler Fra Angelico aus Florenz, neben der Smalte als blaues Pigment für die Freskomalerei verwendet. Aber auch dies führte immer wieder zu Problemen mit der Verträglichkeit. Auch für die im 14. Jahrhundert aufkommende Buchmalerei wurde das wertvolle blaue Pigment ebenfalls gerne – besonders in Verbindung mit Blattgold – verwendet. Farbenhändler, welche Pinsel lieferten, Pigmente herstellten und auch Leinwände vorbereiteten, gab es erst seit Mitte des 17. Jahrhunderts.

In der Folgezeit wuchs die Nachfrage nach Farben ständig. Herrschaftliche Familien und Könige schmückten ihre Paläste und Höfe mit Bildern. Das aufkommende reiche Bürgertum im 18. und 19. Jahrhundert stattete seine Wohnungen zunehmend mit Gemälden aus. Die Fotografie war noch nicht erfunden. Das im Jahr 1704 entdeckte Berlinerblau, das zur gleichen Zeit erstmals produzierte Neapelgelb oder das um 1850 erstmals hergestellte Zinkweiß waren Produkte der jetzt aufkommenden Farbenindustrie. Da das Pigment Ultramarin nur sehr aufwendig hergestellt werden konnte, setzte ein Ausschuss in Frankreich im Jahr 1824 einen Preis für die Entwicklung eines Verfahrens zur künstlichen Herstellung von Ultramarin aus. Die Synthese von Ultramarinblau gelang 1828 den drei Chemikern Emile Giumet (F), Leopold Gmelin (D) und Friedrich August Köttig (D) unabhängig voneinander. Im Jahr 1834 gründete Carl Leverkus die erste Ultramarinfabrik in Deutschland. 1930 wurde er posthum Namensgeber der Stadt Leverkusen.

Die Entwicklung der organischen Pigmente im 19. Jahrhundert stellte eine Art Revolution dar. Das erste Azo Pigment Pararot wurde im Jahr 1885 entdeckt. Heute übertreffen die organischen Pigmente die Farbpalette der anorganischen bei Weitem und sie können es durchaus mit der Lichtechtheit der anorganischen Gruppe aufnehmen. Wie gut ihre chemische Beständigkeit über Jahrhunderte ist, wird sich allerdings noch zeigen.

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Die Hochschule Esslingen bietet den Studiengang Chemieingenieurwesen/Farbe und Lack an. Neben einem ganzheitlichen Verständnis für die Beschichtung von Oberflächen umfasst das Studium Seminare in den Laboren Chemie, Lacktechnologie, Beschichtungstechnik, Umwelt-, Korrosions- und Bautenschutz und dem Design. Ein besonderer Stellenwert kommt dem Labor Polymerwerkstoffe zu, hier geht es um die synthetische Herstellung von Pigmenten und Bindemitteln, welche erst in der Mitte des 19. Jh. entdeckt wurden.

Hochschule Esslingen Angewandte Naturwissenschaften Studiengang Chemieingenieurwesen Farbe und Lack Kanalstr. 33 73728 Esslingen Tel.: (0711) 397-3501

www.hs-esslingen.de

 

 


 

 

 


Farben begleiten die Menschengeschichte
Kalkechte Pigmente waren wichtig für die Fresko-Malerei und eignen sich zum Einfärben von Lehm-, Kalk-, Tadelakt- putzen und Lehmfarben.

Farben begleiten die Menschengeschichte
Farbenspiele wie aus dem Märchenbuch: Händler auf dem Pigmentmarkt in Mysore, Indien.

Farben begleiten die Menschengeschichte
Dieses Ultramarin-Pigment wurde im Labor künstlich hergestellt.

Farben begleiten die Menschengeschichte
Heute werden die meisten Pigmente und Bindemittel künstlich hergestellt: Studenten bei Versuch im Labor.

Farben begleiten die Menschengeschichte
Belgen alstes Wissen um den Einsatz von Pigmenten: Wandmalereien in einem Königsgrab in Ägypten.

 

Fotos: Prof. Bodo Müller, Ines Wehl, Hochschule Esslingen

 

Quelle: Malerblatt 10/2011

 

 

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