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Baustil: 20. Jahrhundert

Aus- & Weiterbildung
Baustil: 20. Jahrhundert

Le Corbusier prägte die Farbgebung der 30er-Jahre; in den 50er-Jahren setzten sich stärkere Farben durch.

Bereits gegen Ende der 20er-Jahre ging die polychrome Anwendung von Farbe, wie wir sie z.B. von dem Farbgestalter Bruno Taut kennen, allmählich zurück. Die angesagte Farbe am Bau war aus der Bauhaustradition heraus die Farbe „Weiß“. Weiß galt als reine, funktionale Farbe und so wurde der 1927 entstandenen Weißenhofsiedlung auch ein wenig abfällig der Beiname „Araberdorf“ gegeben. Wenn wir die Weißenhofsiedlung ein wenig genauer betrachten, werden wir feststellen, dass nahezu an keiner Fassade das reine Weiß auftaucht, eher haben wir eine Palette von sanften Pastellfarbtönen vorliegen. Die Farbe Weiß, welche wir heute unter Weiß verstehen, gibt es eigentlich erst seit dem Jahr 1938.

Pastelltöne

Schauen wir uns beispielsweise die Häuser des Architekten Le Corbusier genauer an, so stellen wir fest, dass er leichte, helle und duftige Pastellfarbtöne an den Fassaden und kräftige, warme Farbtöne im Innenraum verwendete. Le Corbusier verstand sich als Künstler und Architekt, aus diesem Grund war es ihm ein Anliegen, Architektur und Kunst nicht zu trennen – in der Architektur verwendete er deswegen auch die Farben der Kunst. Im Jahr 1931 und später noch einmal im Jahr 1959 hatte Le Corbusier zusammen mit der Schweizer Tapetenfirma Salubra zwei Farbtonkollektionen entwickelt – die Serie Salubra I und die Serie Salubra II. Ursprünglich waren diese Farbtöne für die Innenraumgestaltung vorgesehen und sollten teures Material wie edle Hölzer und Marmorverkleidungen ersetzen. Diese Farbtonkollektionen sind in den 90er-Jahren von der Firma kt.Color in Uster in der Schweiz wieder neu zusammengetragen worden, sie werden derzeit im Handel von kt.Color Deutschland vertrieben (www.ktcolor.de).
Auf seinen Reisen hatte Le Corbusier festgestellt, dass es in der Kultur- und Kunstgeschichte eine ewig gültige Farbpalette gegeben hatte, die zu jedem Zeitpunkt der Entwicklungsgeschichte vom alten Ägypten bis hin zum Expressionismus verwendet wurde. Die neue expressionistische Farbigkeit fand dann Niederschlag in der Serie Salubra II und wir finden diese Farbtöne in der 43er-Serie der Firma kt.Color. Farben war immer eine bestimmte Bedeutung zugeordnet und oft rufen Farben bei uns Menschen ganz bestimmte Assoziationen hervor. Die angestrebte Raumwirkung ist bei den LC-Farbtönen allein schon durch die Namensgebung des Farbtons definiert, so begegnet uns die Natur – wie die Weite des Himmels im Pigment des Ultramarins.


Harmonische Farbklänge

So wie die Natur in einem bunt gepflückten Wiesenstrauß keine unharmonischen Farbklänge hervorbringt, gelingt es Le Corbusier, eine Kollektion zu erstellen, die in ihren meisten Kombinationen harmonische Farbklänge hervorruft. Das wiederum hat zum einen mit der sensiblen Vorauswahl der Grundfarbtöne zu tun, zum anderen – und das begründet auch den höheren Preis der LC-Produktserie – mit einer sorgfältigen Auswahl von Pigmenten, die eine andere Lichtbrechung als die üblicherweise in der Industrie verwendeten Pigmente aufweisen. Ein weiteres „Geheimnis“ der Farbtonerstellung – und das rührt aus Le Corbusiers Ausbildung zum Künstler her – ist das Mischen von Farbtönen mit der jeweiligen Gegenfarbe, was zu einer Harmonisierung der Farben unter sich führt. Jede Farbe ist mit ihrer Komplementärfarbe gebrochen. Dieses Prinzip hat man sich bei der Erstellung der Grautonreihe zunutze gemacht und eine vielfältige Palette von Grautönen, die immer wieder an Naturmaterialien erinnern, erstellt. Auch der Weißreihe mit 18 verschiedenen Weißtönen, einer Kreation der Firma kt.Color, liegt dieses Prinzip der Gegenfarbmischung zugrunde. Hier geht man zurück auf Naturerden, denen beispielsweise Lapislazuli Blau oder gebrannte Siena Erde zugefügt wurde.


Die Farbe Grau

In Deutschland setzte zu Beginn der 30er-Jahre eine große Vorliebe für graue, braune, ockerfarbene und gelbe Farbtonnuancen ein. Das Grau galt als Ausdruck einer symbolischen Farbe des Begriffes „Stadt“ im Gegensatz zur Bautätigkeit und der Farbgebung auf dem Land. Grau galt als Farbe der Arbeit, bunte Farbtöne wurden als zu romantisch eher abgelehnt. Auch in der Denkmalpflege war man der Meinung, dass insbesondere für die älteren Gebäude ein lichtes bis mittleres Grau die einzig richtige Farbe sei. Ähnlich wie auf den griechischen Inseln durch den Diktator Metaxas die Farbe Weiß aus Gründen der Hygiene vorgeschrieben wurde, gehen sehr dunkelgraue bis schwarze Gebäudeanstriche insbesondere in den Industriegebieten auf einen Erlass aus den 30er-Jahren zurück. Vor allem große Mietwohnhäuser sollten sehr dunkel gestrichen werden, damit sie im Kriegsfalle nicht so schnell aus der Luft ausfindig gemacht werden könnten. Aus diesem Grund und auch bedingt durch den 2. Weltkrieg entfiel für die 40er-Jahre fast jegliche Farbanwendung und eine weiterführende Auseinandersetzung über die farbige Gestaltung von Gebäuden. Bunte Farbtöne an Gebäuden wurden eher vermieden und verachtet. Farbe wurde nicht thematisiert. Weder an Hochschulen und Universitäten noch an den Malerfachschulen erfolgte ein Lehrangebot zu diesem Bereich. Lediglich unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten wurde das Thema Farbe manchmal behandelt. Verständlicherweise ging es dann aber nur um die historische Baufarbigkeit, die angesichts der dominierenden Weiß-Grau-Phase oft genug unbeobachtet blieb.


Die 50er-Jahre

Die Nachkriegszeit war geprägt durch die Trümmerbeseitigung und den allmählichen Wiederaufbau der Städte. Und hier in den kommenden 50er-Jahren setzt nach und nach eine leichte Trendwende hin zur Farbe, sprich auch zur Lebensfreude ein. In dieser Wiederaufbauphase haben Häuser keine repräsentative Funktion, eher geht es um die reine Zweckmäßigkeit eines Gebäudes. Die damit einhergehende Weiterentwicklung der Bautechnik ermöglichte große Fensteröffnungen, leichte, schwebende Vordachkonstruktionen und filigrane Treppenhäuser. Das organische Design des für die 50er-Jahre stehenden Nierentisches setzt sich fort in der Ausbildung von Balkonen und der Gestaltung von Eingangssituationen. Beim Design der Alltagsgegenstände knüpft man an die Sachlichkeit der Vorkriegszeit an, minimale Querschnitte für Tischbeine und Stühle geben den Eindruck des Schwebens und der Leichtigkeit. Einer großen Beliebtheit erfreuen sich neue kreative Schmucktechniken im Innenraum wie der Lackschnitt, das Scraffito, der Kammzug, das Mosaik und verschiedene Putztechniken. In der Fassade sind die unbunten Farben Grau und Weiß zunächst noch tonangebend, nach und nach setzt sich aber auch hier, vor allem an abgesetzten Bauteilen wie bei Terrassen und Balkonen eine Vorliebe für zunächst pastellige, später kräftigere Farbtonvariationen – vornehmlich in den drei Grundfarben Blau, Gelb und Rot durch. Gerne wird auch mit Farbe aus dem Material heraus experimentiert – wie z. B. Alu und Messing im Zusammenklang mit Edelhölzern oder auch neuen Kunststoffen, diese werden immer wieder gern in einen Kontrast mit dem meist glänzenden Farbton Schwarz gebracht. Einer besonderen Beliebtheit erfreuten sich die Farbtöne Türkis und ein kräftiges pompejianisches Rot.

Prof. Matthias Gröne, Hochschule Esslingen
Quelle: Malerblatt 01/2011


Baustil: 20. Jahrhundert
Weißenhofsiedlung in Stuttgart: Fassadengestaltung von Le Corbusier.

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Fassadengestaltung in den 30er-Jahren: Wohnhaus in London.

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Kreative Schmucktechniken erfreuten sich in den 50er- Jahren großer Beliebtheit.

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Weltausstellung 1929 Barcelona: Deutscher Pavillon von Mies van der Rohe.

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Außenansicht des Barcelona-Pavillons.

Baustil: 20. Jahrhundert
Farbgestaltung Ende der 50er-Jahre: Lehrschwimmbecken in Riedlingen/Donau. Fotos: Matthias Gröne
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