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Polychromie

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Polychromie

Vielfarbig heißt nicht gleich bunt. Eine fein abgestimmte Farbkomposition ist Ziel jeder lebendigen wie langlebigen Gestaltung.

Kürzlich ist eine interessante Dokumentation erschienen, in der die Farbigkeit der Stadt Zürich festgehalten ist. Dem umfangreichen Werk „Farbraum Stadt: Box ZRH“ liegen die Farbanalysen von 41.000 Bauten aus allen Teilen der schweizerischen Metropole zugrunde – federführend zusammengestellt vom dortigen „Haus der Farbe“. Neben Plan und Buch befindet sich in der Box auch eine beispielhafte Auswahl von Einzelbauten, deren Farben entsprechend ihrer Mengenanteile als verschieden breite Streifen dargestellt sind. Und genau dies überrascht beim Blättern immer wieder, denn zunächst unscheinbar anmutende Fassaden entpuppen sich plötzlich als ausgesprochen reich an Farben. Immer wieder sind kleine Anteile an Buntfarben zu entdecken – Akzente, die wie das legendäre Salz in der Suppe die Gesamtkomposition abschmecken.
Dies ist keineswegs mit Buntheit zu verwechseln, für die gesättigte Töne vordergründig und plakativ zusammengebacken werden. Wahrlich bunt geht es oft in Gewerbegebieten zu, wo die „Hausfarben“ von Unternehmen die Netzhaut strapazieren. Gerne auch nutzen Einkaufszentren und Baumärkte die Signalwirkung von Buntfarben in großem Maßstab, nach dem Motto „kommt her, kauft bei mir“ – letztlich ist das eine unsensible Banalisierung der Farbe. In Reihenhauszeilen und Neubaugebieten rangiert die Buntheit hingegen als „Individualisierung“, mithilfe der Farbe will man sich auf den ersten Blick von seinen Nachbarn absetzen. Dass dies schlechter Stil ist, darf man dem Bauherren durchaus sagen.


 

Kunst der Farbgestaltung

Zurück zur Polychromie, die eine hohe Kunst der Farbgestaltung ist und ganz entgegen der landläufigen Meinung viel Einfühlungsvermögen verlangt. Denn Polychromie meint nicht die Maximierung der Anzahl von Farben und Kontrasten, sondern das subtile Nebeneinander verschiedener Nuancen unterschiedlicher oder auch verwandter Farbfamilien. Polychromie kann flächig sein, aber auch akzentuierend. Ein Meister dieser Disziplin war Bruno Taut, der seinen Fassaden ausgesprochen intensive Farben gab und diese dann zusätzlich mit Akzenten an Türen oder Fenstersprossen steigerte.
Farbwechsel an der Gebäudekante sind beliebte Mittel polychromer Gestaltungen, geht man um die Ecke herum, dominiert übergangslos eine andere Farbe. Wobei die einzelnen Ansichten für sich wieder vollkommen ruhig dastehen. Farbwechsel innerhalb der Fassade, scheinbar losgelöst von Gliederungen, sind hier deutlich problematischer, lassen sich jüngst aber häufiger beobachten.
Letztlich geht es stets darum, eine angemessene Farbigkeit aus weniger oder mehr Einzelnuancen zu finden, die dem Gebäude, seiner Umgebung und Funktion gerecht wird. In dem einen Fall kann sich dies aus dem Zusammenspiel mehrerer Farbrichtungen entwickeln oder aber einer einfarbigen Grundstimmung entspringen, die in verschiedene Helligkeiten übergeht. Auch unfarbiges Grau kann seinen Reiz haben, wenn es prägnant gesetzt ist. Stets aber muss die Komposition Professionalität ausstrahlen und nachvollziehbar sein – ansonsten bleibt sie beliebig. Wer aber glaubt, Kraft sei eine Frage der starken Töne, der irrt. Denn das, was man früher spöttisch „Farbenschachtel“ nannte, hat im historischen wie modernen Ortsbild nichts verloren, sondern seinen Platz auf dem Rummel, der Kirmes oder den Volksfesten. Hier darf, ja muss es laut zugehen, akustisch wie optisch.

Uwe Koos, Sto AG
Quelle: Malerblatt 11/2010
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