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Homing und Cocooning

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Homing und Cocooning

Begriffe wie „Homing“ oder „Cocooning“ sind zurzeit in aller Munde. Viele Menschen ziehen sich in ihre eigenen vier Wände zurück.

Dass wir momentan wirtschaftlich und gesellschaftlich in nicht besonders einfachen Verhältnissen leben – darüber sind wir uns sicher alle einig. Die Frage ist nur, welche Möglichkeiten bieten sich, adäquat mit der Situation umzugehen? Eine Tatsache scheint sich hier immer klarer abzuzeichnen – der Rückzug ins Private. Viele Menschen suchen dort einen Ort der Entspannung. Daher gilt es, Wohnungen und Häuser so zu gestalten, dass sie Optimismus und Lebensfreude ausstrahlen. Was für eine große Herausforderung, gerichtet an alle, die sich mit der Wohnlichkeit von Räumen auseinandersetzen.

Ein kleines Universum

Eine gute Möglichkeit sich diesem komplexen Gebiet in kompetentem Rahmen zu stellen bietet das Stuttgarter Institut raumPROBE. Dort findet sich eine beeindruckend umfangreiche Materialmuster-Ausstellung für Planer mit dem Schwerpunkt im Baubereich, die zum stundenlangen Betrachten, Anfassen und Kombinieren einlädt. Soll darüber hinaus eine fachliche Beratung stattfinden, steht dazu beispielsweise einer der beiden Geschäftsführer, Innenarchitekt Hannes Bäuerle, zur Verfügung.
„Das Gute an der Krise, wenn man das so sagen darf“, bemerkt er lächelnd, „ist, dass viele Menschen im Augenblick vermehrt in die eigenen vier Wände investieren.“ Schon seit längerer Zeit beobachte er die verstärkte Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Materialien, die auch in den Bereichen Gesundheit und Nachhaltigkeit bestehen können. „Diese Entwicklung sehe ich durchaus in einem direkten Zusammenhang mit dem Effekt des Homings und/oder Cocoonings“, erklärt der Innenarchitekt. „Mir stellt sich dabei jedoch immer wieder die Frage, ob diese Art des Rückzugs wirklich ein gesellschaftlicher und nicht ein rein elitärer Trend ist. Wer, außer wenigen Leuten, hat denn schon das Geld für einen Wellness-Tempel?“ Zweifel, die durchaus eine Daseinsberechtigung haben. Schnell wird ein so genannter Trend ausgerufen, der seinem Namen dann allerdings nicht besonders lange standhalten kann. „Was“, mutmaßt er weiter, „wenn es sich doch eher um reinen Pragmatismus handelt? Vielleicht muss momentan einfach der zwanzig oder dreißig Jahre alte Bestand renoviert werden?“

Es gibt viel zu tun

Doch ob nun ein Trend der Massen oder ein akuter Sanierungsbedarf – Marktchancen sieht Hannes Bäuerle auf diesem Gebiet allemal. „Der Bereich entwickelt sich gerade in zwei Richtungen. Neben den Spezialisten wird es zukünftig viel mehr Generalisten oder kompetente Netzwerke geben, die den Kunden dann komplette Gestaltungsprogramme anbieten. Gerade die Mischung aus Architekten und Handwerkern hat dabei einen besonderen Reiz für mich. Wenn sich beide Seiten noch weiter öffnen und intensiv zusammenarbeiten, sehe ich ein Riesen-Potenzial in dieser Verbindung.“
Die Vielfalt der Materialien und Möglichkeiten, erklärt er weiter, habe darüber hinaus explosiv zugenommen. „Es gibt heute keinen Wunsch mehr, der sich nicht realisieren lässt. Gleichzeitig stelle ich aber immer wieder fest, dass die Kunden momentan eher weniger Material und dafür mehr Detailtreue verlangen – womit wir wieder den Bogen zu den qualitativ hochwertigen Forderungen schlagen.“ Als wirkliche Trends macht er darunter kombinierte Strukturen sowie eine angenehme Haptik und Anmutung aus. „Diese beiden Punkte aufeinander abzustimmen, darin liegt die Kunst.“


Die neue Gemütlichkeit

Eine interessante Aussage, die Dieter Langer, der Chefdesigner der Marburger Tapetenfabrik, bestätigt. „Die Materialien sind anspruchsvoll und teuer. Geschmeidige, aber dennoch grifffeste Haptiken sind ebenso angesagt wie feinste textilartige Oberflächen. Pigmente werden beinahe sichtbar und handwerkliche Reize entstehen, je gröber und ursprünglicher sie verwendet werden.“ Dabei gibt er zu bedenken, dass ein an Architektur interessierter Mensch genauso ein „Homer“ sein könne wie der Traditionalist oder der Trendsurfer. „Deshalb müssen wir mit unseren Kollektionen nach wie vor verschiedenste Stilrichtungen bedienen.“ Dominant seien momentan dabei jedoch alle ruhigen Naturtöne, beispielsweise Torf, Schiefer, Sand oder Kalk. „Diese funktionieren entweder Ton in Ton oder in Kombination mit dunklen Beerentönen, Rost, Schwefel und müden Grüns.“ Das Deutsche Tapeten-Institut führt diese aktuelle Trendbeschreibung in seinem Trend-report (Juli 2009) noch weiter fort. Warme, natürliche Dessins und Farben wie Lindgrün, Braun oder Beige und verspielte Blumenmuster in den neuen Tapetenkollektionen sollen das eigene Zuhause in eine Wohlfühloase verwandeln, erklären die Experten. „Unis und changierende Effekte sind nur einige Details, die moderne Tapeten zum zeitgenössischen Gestaltungselement machen“, fügen sie hinzu. „Der Wandschmuck des 21. Jahrhunderts verleiht den Räumen ein Stück Harmonie und Gelassenheit.“

Mit allen Sinnen heilen

Was aber passiert wenn wir krank werden? Wenn ein stationärer Aufenthalt notwendig ist? Für die meisten Menschen eine unangenehme und mit Angst verbundene Vorstellung – zu der sich neben den Gedanken an eventuelle Schmerzen oft auch die Assoziation einer unfreundlich und kalt wirkenden Umgebung gesellt. Doch es geht auch anders. Im Stuttgarter Robert-Bosch-Krankenhaus beispielsweise. Dort beschreiten die Verantwortlichen bereits seit 1998 einen alternativen Weg.
Mit Hilfe von anspruchsvoller zeitgenössischer Kunst versuchen sie, der medizinisch-pflegerischen Versorgung geistige und sinnliche Anregungen zur Seite zu stellen, die den Gesundungsprozess eines jeden Patienten fördern sollen. Zur Umsetzung dieses fortschrittlichen Gedankens verfügt die Einrichtung mit Isabel Grüner über eine eigene, sehr engagierte Kunstbeauftragte, unter deren Hand das Krankenhaus eine beruhigende und auf verschiedenen sinnlichen Ebenen ansprechende Farbigkeit erhalten hat.

Sensibel angepasste Wirkung

Kunst an einem solchen Ort unterzubringen – was sich in der Theorie einfach anhört muss in der Praxis gut überlegt sein. „Jede Station des Krankenhauses beherbergt Patienten mit völlig unterschiedlichen Krankheitsbildern und Bedürfnissen“, erklärt Isabel Grüner. „Farben und Motive, die der einen Gruppe bei der Verarbeitung ihrer Krankheit helfen, können bei einer anderen Angstgefühle und Schlimmeres auslösen.“ Aus diesem Grund hat sie ein eigenes, sensibles Konzept entwickelt, das jeweils nur einen von ihr und einer etablierten Kunstkommission ausgewählten Maler/Künstler pro Station vorsieht.
Dieser entwirft eigens für den jeweiligen Bereich Bilder oder Objekte, die dann alle öffentlichen Orte wie Patientenzimmer, Flur, Aufenthaltsbereich und Stationszimmer mit ein- beziehen. Thematisch gibt es dabei lediglich die Beschränkungen, sich auf das Krankenhaus als Kontext einzustellen – Themen wie Tod und Gewalt auszuschließen – und in der Farb- und Formauswahl großflächige Rot- oder Schwarztöne zu vermeiden. Und das Resultat kann sich wirklich sehen lassen. Aus Malersicht sind dabei unter den insgesamt 19 dauerhaft installierten Kunstprojekten besonders die Farbgestaltungen im Bereich der Radiologie und im Ruheraum der ambulanten Chirurgie interessant.


Angenehme Aussichten

Das Erste, was Besuchern und Patienten im Wartebereich der radiologischen Untersuchungsräume auffällt, ist die Wärme, die dort von den Wänden und von Teilen der Decke ausgeht. Nicht viel erinnert hier direkt an ein Krankenhaus. Einladende Pastelltöne, sorgfältig aus Le Corbusier-Farben zusammengestellt und mit selbst entwickelten „Painting-Placement“-Motiven beklebt, wirken beruhigend und lenken ein wenig von den Gründen des Aufenthalts ab. Der längliche Raum wird durch die von Hannes Trüjen bewusst verschieden angelegten geometrischen Flächen und landschaftlichen Farbelemente in drei Zonen gegliedert. Jede einzelne davon vermittelt eine andere Stimmung und lädt zum genaueren Betrachten ein – selbst liegende Patienten erhalten durch das Einbeziehen der Decken die Chance, in eine bunte Gedankenwelt abzuschweifen. Ähnlich verhält es sich im Ruheraum der ambulanten Chirurgie. Durch seine Gestaltung mit floralen grünen Motiven zwischen blauen wolkenähnlichen Gebilden, an den Wänden und vor allem an der Decke, bietet Uwe Schäfer frisch Operierten dort ein erholsames Ambiente. Eine saubere Kühle beherrscht den Raum, jedoch ohne dabei steril und kalt zu wirken. Es scheint fast so, als müsste jeden Moment ein angenehmer, frischer Wind um die Betten wehen, der jegliche Gedanken an Krankheit und Schmerz mit sich nimmt.
Von einer unangenehmen Krankenhausatmosphäre kann auf diesen und all den anderen neu gestalteten Stationen dank der aktiven Arbeit der verschiedenen Beteiligten daher keine Rede mehr sein. Farbe und Gestaltung können also auch hier und nicht nur im privaten Bereich dabei helfen, die Umgebung so anregend und wohnlich wie möglich zu halten. Und der Trend dazu geht sogar noch weiter.

Ein alternatives Konzept

Immer öfter gibt es inzwischen die Möglichkeit, sich zwar im Bereich eines Krankenhauses, aber nicht direkt auf einer der Stationen unterbingen zu lassen – in einem so genannten Patientenhotel beispielsweise. Dort werden Patienten wie Wöchnerinnen versorgt, die zwar das medizinische Umfeld benötigen, aber dennoch bedeutend weniger Pflege brauchen. Sie erhalten hier einen intensiven Service der anderen Art, der weit über die rein medizinische Betreuung hinausgeht.
Dabei wird jedoch besonders großer Wert auf Qualität und Funktionalität dieser Einrichtungen gelegt. „Komfort, Ästhetik und Sicherheit sollen sich im Interieur der Zimmer widerspiegeln“, erklären die Verantwortlichen des Emsdettener Textilunternehmens Drapilux. „Warme Farben, runde Formen und liebevolle Details sorgen für eine freundlich-harmonische Hotelatmosphäre. Eine behindertengerechte und allergikerfreundliche Ausstattung muss hierbei genauso selbstverständlich sein wie eine optisch ansprechende Raumgestaltung.“ Die extra dafür entwickelte Health & Care-Kollektion, unter anderem mit auf Farbpsychologie basierenden Stoffen, soll diesem Anspruch gerecht werden.

Der kleine Blick voraus

Es bleibt also abschließend festzustellen, dass sich immer weitere Geschäftsfelder rund um solche Themen wie „Homing“, „Wellness“ und die persönliche Entspannung jedes Einzelnen bilden. Ein Trend, der für das Handwerk und daher auch für die Malerzunft zukunftsweisend und sehr einträglich werden könnte, ergeben sich doch aus ihm viele neue Betätigungsfelder auf einem wachsenden Markt. Egal ob Privatbereich, Krankenhaus, Seniorenheim oder Patientenhotel – kreative und dem Anlass angepasste Farbgestaltungen werden überall gebraucht.

Simone Heinz
Quelle: Malerblatt 09/2009


Warm, weich und gemütlich sollte sie sein und darüber hinaus einen perfekten Rückzugsort aus dem hektischen Alltag bieten – diesen Wunsch haben viele Menschen an die eigene Wohnung. Dabei legen sie vermehrt großen Wert auf anspruchsvolle und hochwertige Materialien.

Eine Möglichkeit, sich einen adäquaten Überblick über viele der auf dem Markt erhältlichen Materialien zu verschaffen, findet sich in der umfangreichen Sammlung der raumPROBE in Stuttgart. Dort wird schnell klar: Es gibt nichts, was es nicht gibt!Fotos: Simone Heinz

Eine Möglichkeit, sich einen adäquaten Überblick über viele der auf dem Markt erhältlichen Materialien zu verschaffen, findet sich in der umfangreichen Sammlung der raumPROBE in Stuttgart. Dort wird schnell klar: Es gibt nichts, was es nicht gibt!Fotos: Simone Heinz

Eine Möglichkeit, sich einen adäquaten Überblick über viele der auf dem Markt erhältlichen Materialien zu verschaffen, findet sich in der umfangreichen Sammlung der raumPROBE in Stuttgart. Dort wird schnell klar: Es gibt nichts, was es nicht gibt!Fotos: Simone Heinz

Die Wand- und Deckengestaltung des Malers Hannes Trüjen sorgt im Wartebereich der Radiologie des Stuttgarter Robert-Bosch-Krankenhauses für eine entspannende Atmosphäre.

Ein beruhigender Anblick: Patienten der Chirurgischen Ambulanz können sich unter den filigranen Kunstwerken von Uwe Schäfer von ihren Eingriffen erholen.Fotos: RBK

Rundum wohl fühlen können sich Patienten bereits in vielen Patientenhotels. Sie bieten eine angenehme Alternative zum stationären Aufenthalt im Krankenhaus.Foto: Drapilux

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