Startseite » Werkstoffe » Farben » Fassadenfarben »

Grün an der Fassade

Fassadenfarben Malerblatt Wissen
Grün an der Fassade

Spätestens seit gelbgrün fassadentauglich geworden ist, wurde aus Grün und Architektur eine echte Problembeziehung.

Ein Plädoyer für mehr Sensibilität.

Bislang ist nicht überliefert, dass farbige Fassaden Schleudertraumen auslösen können. Aber unwahrscheinlich ist es auch nicht, angesichts der schreienden Buntheit, die sich seit einiger Zeit vor allem in ländlichen Gegenden ausbreitet. Wer so manche Dorfstraße arglos entlangrollt, sollte seine Reflexe dämpfen, andernfalls reißt es den Blick samt Kopf und Hals schockartig herum – hinüber zu einer Grellheit, deren visueller Reiz so mächtig ist, dass er nicht herauszufiltern ist. Und wer den Farbe-Nichtfarbe-Kontrast kennt, weiß, wie sich Bunttöne steigern, wenn ihre Nachbarschaft aus schalem Beige oder tristem Grau besteht. Rot ist so eine Farbe, die sich in vielen Orten breit machte. Orange ebenso, ganz zu schweigen von Blau. Doch deren große Zeiten scheinen vorbei, längst belegt Gelbgrün die Spitzenposition unter den nervigsten Farben.


Natürlich wäre es völlig abwegig, die aktuelle Grünwelle mit einer epidemischen Ausbreitung viraler Infekte zu vergleichen. Aber es drängt sich dennoch der Gedanke auf, dass der Farbton von Dorf zu Dorf, von Neubaugebiet zu Neubaugebiet überspringt. Irgendwo findet er neue Stellen, wo er sich ausbreiten kann – und erfasst so Fertighäuschen genauso wie alte Bauernhöfe oder unscheinbare, undefinierbare Mehrfamilenhäuser. Je belangloser die Architektur, desto anfälliger scheint sie für die Infektion. Bauten mit architektonischem Anspruch tragen derweil wieder Grau, Schwarz oder Weiß – das aber ist ein anderes Thema. Warum aber Gelbgrün? Erstens ist die Farbe neu im Außenraum, ein Leuchtturm der Pigmenttechnik sozusagen. Zweitens haben sich Rot, Orange und Blau visuell abgenützt, Grün hingegen sorgt noch unverbraucht für Aufmerksamkeit. Und allein darum geht es letztlich.


Gelbes Grün hebt heraus, setzt ab, einerseits kompromisslos, andererseits bleibt es in seinem Ausdruck zunächst sympathisch, freundlich, ist nicht aggressiv wie großflächiges Rot. Gelbgrün stimmt fröhlich, andererseits steht es auch für ein gewisses Maß an Naivität, an Unbedarftheit. Das macht sich vor allem dann bemerkbar, wenn es bei Bestandsbauten mit anderen Farben kollidiert, deren Veränderung wohl ein zu großes Unterfangen gewesen wäre. Gepaart mit braunen Holzverkleidungen beispielsweise wird daraus ein peinlich-billiges Gesamtwerk.


Der Kontext ist das Problem, muss man einmal mehr konstatieren. Und das auf mehreren Ebenen: Da wäre der Kontext der Architektur selbst. Wer ein altes Hüttlein grün aufpäppelt, der wird scheitern, weil die beiden formalästhetischen Ebenen nicht zusammenpassen. Zum anderen wäre da noch der Kontext der Umgebung: Dörfliche Strukturen leben durch die Vielfalt aus der Einheit, gespeist aus regionalen Farbstimmungen und -konventionen. Grün – abgesehen von dunklen Akzenten auf Klappläden, Türen und Toren – fehlt hier jegliche Tradition, das grüne Gebäude wird zum Alien. Anders zeigen sich die Verhältnisse bei Bauten aus der Jetztzeit: Hier ist Gelbgrün stimmiger, aber auch hier muss der Kontext passen. In Gewerbegebieten beispielsweise bleiben Konflikte minimal.


Gelbgrün ist kein probates Mittel gegen Uniformität, gegen die Phantasielosigkeit vieler Ortsbausatzungen oder gegen den Verlust an Authentizität. Gelbgrün bricht mit den Sehgewohnheiten und ist daher eigentlich ein starkes Signal, aber wenn Sender und Signal nicht zusammenpassen, entsteht Dissonanz und Irritation. Dabei ist die Farbenvielfalt groß genug, um Originalität und Kontext zusammenzubringen. Nur: Das erfordert Kreativität und Können.

Armin Scharf
Fotos: Armin Scharf
Quelle: Malerblatt 03/2013

Produkt des Monats
Aktuelle Ausgabe
Titelbild Malerblatt 4
Ausgabe
4.2024
ABO

Malerblatt Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Malerblatt-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Malerblatt-Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Malerblatt-Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de