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Prozesssteuerung Handwerk 3

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Prozesssteuerung Handwerk 3

Der Arbeitsablauf auf manchen Baustellen im Ausbauhandwerk ähnelt dem Stop-and-go-Verkehr auf Autobahnen.

Bremsen – Gas geben – Bremsen. Mit schöner Regelmäßigkeit geht es bei Arbeitsprozessen nur ruckelnd voran. Woran liegt das? Der Autor Dr. Christian Hürter schreibt im zweiten Teil seiner Artikelserie zum Thema Prozess-Steuerung über Störfaktoren im Bauablauf.
Auf Baustellen gibt es Ereignisse, die den Ablauf bremsen, und welche, die ihn beschleunigen. Wir sprechen in diesem Zusammenhang von Zeitfressern (Stopp) und Zeitturbos (Go). Wer seine Baustellen optimieren möchte, muss vor allem den Zeitfressern zu Leibe rücken. Diese bergen das größte Optimierungspotenzial. Doch wie groß ist ihr Anteil am Bauablauf und wie hoch fällt im Gegensatz dazu der Anteil an produktiver Tätigkeit aus? Was schätzen Sie?

Zeitfresser

Wenn Ihre Zeitfresser-Schätzung bei mindestens 30 Prozent liegt, dann sind Sie in bester Gesellschaft. Eine Analyse innerhalb der Unternehmensgruppe Heinrich Schmid kam nämlich zu diesem Ergebnis: 30 Prozent Zeitfresser und 70 Prozent produktive Tätigkeit. Untersuchungen im Gesamtausbau gehen sogar von doppelt so vielen Zeitfressern aus – z.B. eine Studie von Schmitt und Wolf aus dem Jahre 2012 oder 15 Jahre zuvor von Blecken und Guntermann. Worum handelt es sich genau bei diesen Zeitfressern? Nachfolgend einige typische Beispiele, gegliedert in sechs Kategorien.

  • Überproduktion: Zu viele oder wechselnde Mitarbeiter, Leistung ohne Auftrag, Mehraufwand ohne Dokumentation
  • Nacharbeit: Ausbessern, Reparieren, Reinigen • Unwissen: Demotivierte, falsch eingewiesene oder unerfahrene Mitarbeiter
  • Laufwege: Transport von Material/ Werkzeug (insb. auch Selbstabholung beim Lieferanten), Verteilen/Herrichten/ Rüsten, Gehzeiten zu Wasser/ Strom/Toilette, Suchzeiten
  • Wartezeiten: Fehlende Baufreiheit, Unpünktlichkeit, Handy, Rauchen, Parkplatzsuche, Stau, Dunkelheit
  • Arbeitsmittel: Zu hoher Bestand/ Platzbedarf/Verbrauch Wer es schafft, solche Stopps zu minimieren, der schafft es auch, die Wertschöpfung auf Baustellen deutlich zu steigern. Denn Stopps wirken sich wesentlich schlimmer auf den Unternehmergewinn aus, als dies auf den ersten Blick erscheint.

Teure Stopps

Greifen wir einmal eines der oben genannten Beispiele auf: Wartezeit durch Unpünktlichkeit. Diese Unpünktlichkeit kann viele Ursachen haben, beispielsweise: • Eine Arbeitsgruppe nimmt morgens die Arbeit später auf, weil sich ein Kollege verspätet hat.

  • Der Arbeitsbeginn verzögert sich, weil ein Kollege verspätet aus der Pause zurückkommt.
  • Die Mitarbeiter machen abends ein paar Minuten früher Feierabend und runden auf dem Stundenzettel auf. Alles nicht so wild, könnte man meinen. Doch bereits ein Zeitfresser von einer Viertelstunde hat enorme Auswirkung fürs Unternehmen.

Ursache – Wirkung

Ein kleines Rechenbeispiel soll dies verdeutlichen. Für einen Mitarbeiter mit 15 Euro Stundenlohn bedeuten 15 Minuten gerade mal 3,75 Euro mehr Lohn – brutto, also vor Steuer, wohl gemerkt. „Nicht so wild, damit kann ich leben“, wird nun mancher Unternehmer sagen, zumal 3,75 Euro bei acht Stunden Arbeit nur ein 32stel des Tageslohns ausmachen. Doch in Sachen Wertschöpfung sehen die Verhältnisse vollkommen anders aus: Gehen wir davon aus, dass das Unternehmen mit 50 Euro Umsatz je Stunde kalkuliert. Bei einem Renditeziel von acht Prozent kann das Unternehmen am Tag einen Gewinn je Mitarbeiter in Höhe von 32 Euro erwarten. Durch einen 15-minütigen Zeitfresser entgehen dem Unternehmen 12,50 Euro Umsatz, was den Tagesgewinn bei angenommenen 12 Prozent Materialanteil um 11 Euro (also um über ein Drittel) reduziert. 15 Minuten bedeuten also ein 32stel des Tagesverdiensts für den Mitarbeiter, aber ein Drittel des Tagesgewinns für den Unternehmer. Zeitverlust ist für den Unternehmer also elfmal kritischer als für den Mitarbeiter. Dies sollte sich jeder Handwerksbetrieb zu Herzen nehmen und mit seinen Mitarbeitern besprechen. Ein Großteil der Zeitfresser- Problematik ist schlicht eine Sache fehlender Kommunikation und unterschiedlicher Annahmen über die unternehmerischen Zusammenhänge.
Zeit zählt Mit dem kleinen Zahlenbeispiel soll nicht bewirkt werden, dass sich mal wieder alles um das liebe Geld dreht. Natürlich gilt „Zeit ist Geld“. Aber Geld ist eben nur ein Rückspiegel, wie im zweiten Teil der vorliegenden Artikelserie ausführlich zu lesen war. Viel wichtiger ist es, das Bewusstsein für die Bedeutung von Zeit allgemein zu schärfen. Auf die Frage, welche Auswirkung ein Problem auf der Baustelle hat, muss die Antwort eine Zahl in Stunden sein, kein Eurobetrag. Bei der Lösungssuche führen Euros nämlich oft in die Sackgasse. Beispiel gefällig? So könnte ein Chef etwa das Abkleben von Holzzargen als zu teuer kritisieren und seinen Vorarbeiter anweisen, diese Arbeit „billiger“ auszuführen. Was wird der machen? Ganz einfach, den Rotstift beim Material ansetzen – und am Ende möglicherweise ein Klebeband verwenden, das beim Entfernen Rückstände verursachen oder die Holzlasur beschädigen kann. „Kaputtgespart“ nennt man dieses Phänomen, das in der Praxis leider viel zu oft auftaucht: beim Abdecken, Spachteln, Tapezieren, Beschichten, … Daher gilt kategorisch: Auf der Baustelle zählt Zeit.
Stunden für Kunden Im Übrigen sind Zeitfresser nicht nur für Mitarbeiter und Chefs lästig, sondern insbesondere auch für den Kunden: sie führen zu Planabweichungen, kosten Bauzeit und gefährden Fertigstellungstermine. Daher definiert man Zeitfresser am besten aus Kundensicht – als all das, wofür der Kunde nicht bereit ist zu bezahlen. Umgekehrt ausgedrückt stellt jede Stunde, für die der Kunde zu zahlen bereit ist, einen Gewinn für alle Beteiligten dar: pure Wertschöpfung.

Dr. Christian Hürter
Quelle: Malerblatt 03/2013

Stop-and-go-Verkehr auf der Autobahn frisst unsere Zeit. Stop-and-go-Prozesse auf der Baustelle fressen den Gewinn.

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