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Schloss Bruchsal

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Schloss Bruchsal

Im Schloss Bruchsal erhalten die Räume der im 2. Weltkrieg zerstörten Beletage ihr ursprüngliches Aussehen zurück.

Stück für Stück wurde in den vergangenen 50 Jahren das im März 1945 von Spreng- und Brandbomben bis auf die Außenmauern zerstörte Bruchsaler Schloss wieder aufgebaut. So entstand das berühmte Treppenhaus von Balthasar Neumann ebenso wieder, wie die Prunksäle im Mitteltrakt in detailgetreuen Rekonstruktionen. Für das Frühjahr 2017 ist nun die Wiedereröffnung der Beletage, dem repräsentativen ersten Geschoss, geplant.
Seit März 2016 arbeiten Tischler an der Rekonstruktion der Türelemente, welche an die ursprünglichen Türformen angelehnt ist. Das ist deshalb wichtig, da über jeder Tür die original erhaltene Supraporte, so der historische Fachbegriff für ein Gemälde über der Tür, wieder ihren Platz findet.

Individuelle Anpassung

Bauleiterin Claudia Reisch erklärt: „Die Konturen der Gemälde setzten sich aus Schwüngen zusammen, oft sind diese nicht symmetrisch, jede Platzierung eines Gemäldes muss also ganz individuell angepasst werden“.
Weitgehend im Original erhalten geblieben sind die Stuckaturen am Giebel des Mittelrisalites. Im Lauf der Jahre setzte die Verwitterung den Stuckputten (engelähnliche Skulpturen in Kindergestalt, manchmal mit, manchmal ohne Flügel) zu. 2013 waren die Risse in den Stuckkörpern der Putten so groß, das ihnen im wahrsten Sinnen des Wortes der Absturz drohte. Deshalb veranlasste das Bauamt Karlsruhe eine Voruntersuchung und Notsicherung der Figuren. Art und Umfang der Schäden wurden von Restaurator Wilhelm Glaser kartiert, Materialproben entnommen und untersucht. „Die Stuckaturen mussten teilweise mit dem Spiegel begutachtet werden, um alle beschädigten Stellen zu erkennen“, erinnert sich der Restaurator. Für Glaser waren besonders die Schadensursachen, die technologische Untersuchung der historischen Substanz sowie die bei späteren Eingriffen verwendeten Materialien von Interesse. Schließlich wurden im Lauf der Jahre die Figuren immer wieder nach den zu dieser Zeit aktuellen Standards restauriert. Teilweise wurde bei den Arbeiten zementhaltiger Ergänzungsmörtel verwendet, als Grundierung der Vergoldungen dienten damals aktuelle Kunstharzdispersionsfarben. Diese trocknen relativ zügig, so ließ es sich bei der Restaurierung schneller arbeiten.
Allerdings bekam das bei früheren Ausbesserungsarbeiten verwendete Material dem Originalstuck nicht immer. Dass der spätbarocke Stuckkünstler Johann Michael Feichtmayr der Jüngere, Urheber der Originalstuckarbeiten, bei seinen Stuckaturen am Bruchsaler Schloss einige für Süddeutschland damals eher ungewöhnliche Materialien verarbeitete, machte die Konservierung und Restaurierung Wilhelm Glasers zusätzlich zu einer Herausforderung.

Wessobrunner Schule

So verwendete der Vertreter der Wessobrunner Schule beispielsweise gipshaltigen Mörtel für seinen Fassadenstuck., Experimentierfreude zeigte er auch bei der Sichtoberfläche des Stuckmörtels: Feichtmayr entschied sich für zerstoßenes Glas, um durch Reflexion spezielle Lichteffekte zu erzeugen.
Neben den Putten sind an der zur Stadt hin ausgerichteten Fassade des Schlosses auch drei Wappen angebracht, in denen unter anderem ein goldener Löwe zu sehen ist.
Doch wie konstruierte der Künstler die Figuren an der Außenfassade? Röntgenaufnahmen, die im Vorfeld der Restaurierung gemacht wurden, lüften das „Geheimnis“: Dünne Eisenstäbe und Drähte bildeten ein Gerüst, auf das der Stuckmörtel aufgetragen wurde. Gips-Kalk-Mörtel mit hohem Gips- und geringem Kalkanteil, sowie einem feinkörnigen Oberrheinsand aus Quarz und Feldspat, konnte Restaurator Glaser in den Figuren nachweisen. „Aufgrund des hohen Kalkanteils ließ sich der Mörtel von Feichtmayr besser verarbeiten, daneben verhinderte der Kalk auch die Korrosion der Armierung“, so Glaser.


 

Restaurierung

Da dem Giebelrelief lange Zeit eine wasserabweisende Beschichtung fehlte, war der Mörtel teilweise stark durchnässt. Aufgrund der sogenannten Frostsprengung entstand an den Putten und Löwen ein feines Rissnetz, zusätzlich löste sich an manchen Stellen der Stuck, an den Löwen schälte sich die Vergoldung ab. Ursache war die altersbedingte Versprödung des Kunstharzbindemittels der Dispersionsfarbe. Aufwölbungen, Ablösungen und Verluste der Farbschichten waren als Folge sichtbar.
Im Vordergrund der Konservierung des Reliefs stand die Sicherung der Stucksubstanz, es mussten lose Stuckteile verklebt werden, Rissinjektionen und Risskittungen sowie Mörtelantragungen zur Stabilisierung des Gesamtgefüges durchgeführt werden. Besonders einem freistehender Putto hatte die Witterung stark zugesetzt, der Körper drohte zu zerfallen. Um ihn zu retten, dichtete Wilhelm Glaser zunächst sämtliche Risse ab, setzte Injektionssschläuche. Ein auf den historischen Gipsmörtel abgestimmter, dünnflüssiger Injektionsmörtel stabilisierte den Stuckkörper. Risse und Hohlräume erhielten zunächst eine Suspension aus Gips in Alkohol, so gelangte der Gips, ohne abzubinden, selbst in feinste Hohlräume. Abgebunden wurde der Gips schließlich durch eine anschließende Wasserinjektion.

Wasserresistenter Anstrich

Mittels Heißdampf entfernte Glaser sämtliche kunstharzgebundenen Mörtel- und Farbschichten der letzten Restaurierung aus dem Jahr 1974. Anschließend wurden Ausbrüche mit Gipsmörtel gekittet und Strukturunterschiede in den Oberflächen mit einer dispergierten Kalkschlämme geglättet. Dann erhielten die Oberflächen eine Imprägnierung mit heißem Leinöl. Leinöl-Bleiweiß diente in den Varianten „bindemittelarm“ bis „vollfett“, also mit hohem Leinölanteil, als Auftrag. Bleiweiß und Leinöl bilden in einer chemischen Reaktion eine wasserabweisende Schicht, wodurch Putten und Löwen nun vor Witterungseinflüssen gut geschützt sind. Für diese Beschichtung spricht auch, dass sich die wasserabweisende Wirkung durch sogenanntes Nachölen mit Leinölfirnis relativ kostengünstig wieder herstellen lässt.
In einem späteren Arbeitsschritt wurden die zu vergoldenden Partien in gleicher Weise aufgebaut. Allerdings wurde die Leinöl-Bleiweißfarbe entsprechend der historischen Fassung mit Goldocker abgetönt.
Nachvollziehbares Ensemble
Fast komplett erhalten blieb im Bruchsaler Schloss das Mobiliar vieler Räume. „Ein Glücksfall und eine absolute Rarität“, sei dieser Zustand, erklärt Michael Hörrmann, Geschäftsführer der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg. Es gehe auch darum, die Ausstattungsteile in ein nachvollziehbares Raumensemble einzubetten. Zwar entstehe kein authentischer Raum, die Besucher könnten sich dennoch in die Epoche einfühlen, so Hörrmann weiter.

Diesem Ziel ist man in Bruchsal auch mit der Wiederherstellung der Beletage sowie der Restaurierung der Giebelfassade nun einen bedeutenden Schritt näher gekommen.

 


Schloss Bruchsal
Im Zweiten Weltkrieg fast komplett zerstört, erstrahlt das Schloss nun wieder im alten Glanz.

Schloss Bruchsal
Das restaurierte Wappen des Fürstbischofs Schönborn umrahmt von Putten und Löwen.

Schloss Bruchsal
Putto vor der Restaurierung.

Schloss Bruchsal
Mörtelinjektionen sorgen für Stabilität.

Schloss Bruchsal
Komplett restaurierte Figur.


praxisplus
Wilhelm GlaserRestaurator im FachbereichWandmalerei/ArchitekturoberflächenBittelbronner Steige 572160 Horb-Diessen

Andreas Ehrfeld
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