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Farbige Fassaden, Teil 5

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Farbige Fassaden, Teil 5

Polychrome Fassaden sind ein immer wiederkehrendes Konzept in der Farbgestaltung.

 

Bei der Anwendung ist Fingerspitzengefühl gefragt. Die Polychromie – Vielfarbigkeit – und das dekorative Gestalten sind zwei weitere gültige Konzeptionsvorgänge. Als polychrome Konzepte sind uns aus neuerer Zeit Gestaltungsbeispiele der postmodernen und dekonstruktivistischen Architektur zu Ende des letzten Jahrhunderts bekannt. Aber schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts gaben sich die Farbkonzepte des Architekten Bruno Taut und Le Corbusier sehr farbenfreudig. Das hat sicher mit der Entwicklungsgeschichte in der Farb- und Lackindustrie zu tun, denn erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts gab es die neuen AZO-Pigmente und Bindemittel auf dem Markt. Bei polychromen Konzepten geht es aber nicht um das einfache, bunte Nebeneinanderstellen von Farben, vielmehr verlangen solche Konzepte einen sensiblen Umgang mit den Regeln der Farbharmonie. Denn wie in der Musik, kann auch mit Farben harmonisch umgegangen werden.

Die Philosophie, Häuser wie Blumensträuße zu gestalten, ist alt und taucht bereits im Jugendstil auf. Das auf der Mathildenhöhe in Darmstadt entstandene Villenviertel hieß im Volksmund „Tintenviertel”. Die Zeitschrift „Die Kunst” empfahl für Landhäuser im Harz eine bunte Farbpalette von hellem Ocker, tiefem Rot, Blau und Grün sowie Schattierungen von Violett. Heute schreibt die Inselverwaltung von Burano in der Nähe von Venedig ihren Bewohnern vor, jedes Haus in einer anderen Farbe zu streichen. Lediglich die Umrahmungen der Fenster werden in Weiß, und die Fensterläden in dunklem Grün gehalten, ein farbharmonisches Konzept, denn die gleichfarbig abgesetzten Architekturteile bilden einen Ordnungsfaktor und binden so die einzelnen Fassadenfarbtöne zusammen.

In Burano, nahe Venedig, muss jedes Haus in einer anderen Farbe gestrichen werden.


 

Polychromes Gestalten

Als postmoderne Architektur bezeichnen wir die Zeit der 1980er-Jahre. Diese Zeit hat sich gerne vielfarbig gegeben und zu einer Wiederbelebung voll gesättigter Farbtöne an der Fassade und im Innenraum geführt. Neueren Datums zeigt uns das Museum Brandhorst in München Freude am Umgang mit Farbe und auch die wieder neu aufgelegte Farbpalette des Architekten Le Corbusier bestätigt eine neue Lust am polychromen Gestalten in der Architektur. Intensive, gesättigte Farbtöne stehen hier gerne nebeneinander und geben das Bild eines bunten Blumenstraußes. Den Rezepturen dieser Farben liegen Harmonie- gesetzgebungen zugrunde, sodass man nahezu alle Farbtöne sehr harmonisch miteinander kombinieren kann.

Das Museum Brandhorst in München bestätigt eine neue Lust am polychromen Gestalten.

Innenraumgestaltung mit der Farbpalette des Architekten Le Corbusier.


 

Dekoratives Gestalten

Betrachten wir die zahlreichen Neugestaltungen der Plattenbauten in den neuen Bundesländern, die Renovierungsversuche unserer Bausünden aus den 60er- und 70er-Jahren oder auch die Fassadenkunststücke des Künstlers Friedensreich Hundertwasser, so kommt der Farbe hier, von den Architekten oftmals leicht skeptisch angesehen, die Aufgabe des dekorativen Schmucks zu. Das dekorative Gestalten kann einerseits als dauerhafte Anwendung, andererseits als nur zeitlich begrenzte Anwendung in der Fassadengestaltung gesehen werden. Ornamentales Gestalten ist immer einem sehr aktuellen Zeitgeschmack unterworfen und dieser kann sich immer schnell und leicht ändern. In der Gestaltung von Industriearchitektur hatte sich das Büro des Farbgestalters Friedrich Ernst von Garnier einen Namen gemacht, welches es aber leider nicht mehr gibt. Der Einsatz des dekorativen Gestaltens bietet sich an für Firmengebäude, die mit ihrem Corporate Design nach außen hin auf sich aufmerksam machen wollen.

Dekoratives Gestalten muss aber nicht immer durch starke Ornamentierung auffallen, auch eine leichte Lasur- oder Glättetechnik kann das Licht und Schattenspiel an einer Fassade wunderschön beleben. Alleine die Änderung einer Putzstruktur zwischen glatt und rau bringt dezente, dekorative Akzente in das Straßenbild und lässt die Farben durch den Lichteinfall sehr unterschiedlich wirken. Ein sensibler Einsatz von Farbe kann durch den Versuch kreativer Techniken oder lediglich durch das Mittel „Farbe an sich” das vorgegebene Lebensumfeld ein wenig verbessern und somit die Lebensqualität der Menschen in den Städten aufwerten. Damit wäre dann schon viel erreicht.

Wandgestaltung an der Hochschule Esslingen.


 

Farbe und Licht

Farbsehen ist nach dem Lexikon der Kunst eine Sinneswahrnehmung über unseren Sehsinn. Die Farbempfindung nehmen wir in der Regel als angenehm und unbeschwert wahr. Das Tasten und Fühlen, das Riechen, Hören und Schmecken sind nicht immer so unbeschwert wie die Farbe. Hitze und Kälte machen uns zu schaffen, Geruch und Geschmack können bis zum Unwohlsein überstrapaziert werden und das Hören kann durch extreme Lautstärke überreizt werden. Übertragen auf die Farbe kann uns zu grelles Licht eventuell blenden oder zu wenig Licht Angst einflößen. Durch Farbe wird man aber eigentlich nicht bedroht, verwundet oder verletzt. So können wir das Farbsehen immer mit etwas Angenehmem verbinden. Modern zu gestalten heißt im hohen Maß, sich über Farbe und Licht mitzuteilen.

Bereits an der Bauhausschule wurde mit Farbe und Licht experimentiert, die Bühnenbildklasse führte Oskar Schlemmers Triadisches Ballett auf und setzte die Kostüme der Tänzer und Tänzerinnen mit Licht in Szene und Farbe. Auch in aktuellen Bühneninszenierungen der Opern und Theater spielen Licht und Farbe, manchmal auch geschickt gekoppelt mit Musik, eine tragende Rolle. Wird mehr als eine Sinnesempfindung bei der menschlichen Wahrnehmung aktiviert, sprechen wir von dem Phänomen der „Synästhesie”. Man kann Farben hören, riechen oder schmecken. Diese besonderen Eigenschaften werden heute vornehmlich in der Werbung eingesetzt und berühren das Gebiet der Farbpsychologie oder Farbwirkung. Ob und wann wir ein Objekt ablehnen oder uns angezogen fühlen, das hat mit unseren persönlichen Empfindungen zu tun, die unbewusst durch unser Gehirn aktiviert und gesteuert werden.

Zusammenspiel von Farbe und Licht in einem Treppenhaus im Kocherquartier Schwäbisch Hall.


 

Farbwirkung

Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass unser Wohlbefinden, unsere Inspiration und Leistungsbereitschaft, Entspannung und Produktivität unmittelbar mit Farbe und Licht zu tun haben. Farbe wird erst durch Licht wahrgenommen, denn Farbgestaltungen leben von der Beleuchtung. Wer mit Farbe zu tun hat, sollte gleichzeitig eine gute Lichtplanung mit einbeziehen, da Licht und Farbe gemeinsam zu den wirksamsten Medien in der Innenarchitektur gehören.

Doch Licht hat nicht nur gestalterische Funktion, eine gute Beleuchtung erleichtert die Orientierung, Arbeit und Kommunikation. Lichtplanung bedeutet weit mehr als nur ein Gebäude mit notwendigen Lichtquellen zu versehen. Es geht um die perfekte Rauminszenierung als gestalterische Qualität und zum Wohle der Bewohner. Schon lange ist bekannt, dass Licht maßgeblichen Einfluss auf die menschliche Gesundheit hat. Besonders eindrucksvoll wirkt eine Inszenierung von Farbe mit Licht in der Dämmerung oder in der Dunkelheit. Vorsichtige Einblicke von außen begeistern uns, und locken uns an und wecken unsere Neugier. In seinem kleinen Büchlein „Über das Geistige in der Kunst” aus dem Jahr 1912 vergleicht Wassily Kandinsky die Farben immer wieder mit Klängen der Musik. Über seine Heimatstadt Moskau schreibt er: „Die Sonne schmilzt ganz Moskau zu einem Fleck zusammen, der wie eine tolle Tuba das ganze Innere, die ganze Seele in Vibration versetzt. Das ist nur der Schlussakkord der Symphonie, die jede Farbe zum höchsten Leben bringt. Rosa, lila, gelbe, weiße, blaue, pistaziengrüne und flammenrote Häuser und Kirchen – jede Farbe ist ein selbstständiges Lied. Die kahlen Äste und den roten, steifen schweigsamen Ring der Kremlmauer hört man wie das Allegretto einer Symphonie und darüber, alles überragend, wie ein Triumphgeschrei, wie ein sich vergessendes Halleluja, zeigt sich der weiße, lange, zierlich ernste Strich des Iwan-Weliky-Glockenturmes.” Diese Worte mögen uns anregen, Farben mit Freude an unseren Fassaden und im Stadtbild einzusetzen.

Die perfekte Rauminszenierung als Zusammenspiel aus Licht und Farbe in einem Café in Luxemburg. Fotos: Caparol, Matthias Gröne

Prof. Matthias Gröne, Hochschule Esslingen
Quelle: Malerblatt 08/2013
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