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Installation aus Farbgewebe

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Installation aus Farbgewebe

Für raumgreifende Installationen bewebt die Künstlerin Lotte Günther Bauzäune mit leuchtend bunten Plastikstreifen.

Einen Moment lang herrscht Irritation – direkt hinter dem Eingang sperrt sich eine Barriere in den Weg. Ein Bauzaun. Aber von einer Baustelle ist nichts zu sehen, und auf das Gitter des Zaunes sind leuchtend bunte Bänder gewebt. Vorsichtig einen Schritt näher – die farbige Komposition verschiebt sich – durch die Lücken im ersten Gewebe leuchten weitere bunt bespannte Zäune hervor, jeder mit einem anderen Farbklang. Die Zäune bilden eine Art Parcour. Bewegt sich der Besucher durch den Raum entstehen immer neue Kombinationen der farbigen Bänder. Blickt man vom Ende des Raumes zum Eingang zurück, überwiegen die kühlen Blautöne des letzten Moduls. Beim Eintreten hatte man hauptsächlich das Neongelb, warme Orange und grelle Pink wahrgenommen. Der erste Zaun, der den Eingang fast versperrt, war in eher zarten Farben gehalten, der darauffolgende in Orange-Rot, der nächste in kräftigem Pink, dann Grün und der letzte schließlich in Blau. Ähnlich wie in einem Regenbogen sind die Bauzäune nach ihren Farben hintereinander angeordnet.

Malerische Fragestellungen

Die Rauminstallation ist ein Werk der Berliner Künstlerin Lotte Günther. Ihre künstlerische Arbeit hat sich von der Malerei ausgehend mehr und mehr in den Raum entwickelt. Aber auch wenn sie nicht mehr auf der zweidimensionalen Leinwandfläche arbeitet, geht sie immer noch malerischen Fragestellungen nach.

Jeden von ihr bespannten Zaun sieht sie als ein Modul, das in sich komponiert ist wie ein abstraktes Gemälde. Aber diese Bilder sind nicht in sich geschlossen und zweidimensional, sondern überlagern sich optisch. Die Malerei erobert den Raum! Ähnlich wie bei einem bunten Flickenteppich wird das farbige Material durch die Zaungitter gewoben. Jeder Zaun ist für sich eine Schicht, die sich optisch mit den anderen zu einem flirrenden Gewebe verdichtet. Der Betrachter kann durch seinen Standpunkt und Blickwinkel selbst entscheiden, was wortwörtlich „im Bild” ist – er wird zum aktiven Mitspieler.

Grelle Farberscheinungen

Die farbigen Streifen sind aus verschiedenen Materialien. Zum einen hatte Lotte Günther große transparente PVC- Bahnen mit Acrylfarben besprayt. Dabei nutzte sie Neonfarben und starke Bunttöne. Die so entstandenen leuchtenden Farbfahnen schnitt sie von Hand in unterschiedlich breite Streifen. Manche waren nur wenige Zentimeter stark, die breitesten maßen etwa 30 Zentimeter und zeigten nicht nur eine einzige Farbe, sondern wolkig gesprayte Farbübergänge. Diese handgemachten Farbbänder hatten eine weitere Besonderheit: Nach der Herstellung wurden sie Schicht um Schicht aufeinander gelagert. Dort wo die Farbflächen aufeinander zu liegen kamen, blieben hier und da kleine Flecken der einen auf der anderen kleben. So passierte es, dass sich zum Beispiel auf einem graugrünen Band ein roter Fleck zeigte, oder in einem grell pinken Band wieder das durchsichtige Plastik zum Vorschein kam. Die Künstlerin setzte diese Farberscheinungen gezielt ein, um die Kompositionen auf den Bauzäunen interessanter und malerischer zu machen.

Im Kontrast zu diesen unregelmäßig handgeschnittenen Bändern standen Geschenkbänder aus Satin oder Plastik, die sich durch ihre industrielle Fertigung streng und präzise durch die Zäune spannten. Als dritte Komponente nutzte die Künstlerin Streifen von Organza- seide. Diese halbtransparenten Stoffe schillern, je nach Lichteinfall, in verschiedenen Farben, zum Beispiel wechseln sie zwischen Rot und Blau.

Ohne Titel_2013_5 Bauzäune, PVC, Acryl, Geschenkbänder, Organza_Austellungsansicht Kunstfabrik HB55_Berlin.


Leicht und leuchtend

Am besten funktioniert die Installation bei einer Tageslichtbeleuchtung. Scheint die Sonne durch die bunten Bänder, glühen die Farben umso mehr, und farbige Schatten wandern durch den Raum. Die rohe urbane Erscheinung der Bauzäune, die uns allen im Alltag oft begegnet und die wir normalerweise kaum beachten, wird in dieser Arbeit als Ausgangspunkt für eine leuchtende Farbarbeit im Raum genommen. Das bunte leuchtende Material überwebt die Gitterstruktur der Zäune und setzt dem rohen Baustellengegenstand etwas Leichtes, Leuchtendes entgegen. Malerei und Alltag überschneiden sich. Das Kunstwerk begegnet uns nicht auf einem Sockel, oder an der weißen Wand eines Museums, wo wir es sofort als Kunst erkennen und nicht in Frage stellen würden, sondern zeigt sich in ganz einfachem alltäglichen Material. Die bunten Streifen legen sich über alles, was man sieht, so wird der ganze Raum ins Bild integriert.

Die Künstlerin nimmt das Werk bewusst nach dem Ende einer Ausstellung auseinander, befreit die Zäune also wieder vom farbigen Gewebe, und installiert sie an jedem Ort neu, so dass sie jedesmal ein wenig anders aussehen. Sie investiert viel Zeit in das Weben der einzelnen Bildflächen und überprüft die Komposition im Raum aus unterschiedlichsten Blickwinkeln – eine Geduldsarbeit, die durch das flimmernd leuchtend bunte Ergebnis belohnt wird. Scheint die Sonne durch die Bänder, „glühen” die Farben.

Lotte Günther

Lotte Günther (geboren 1983 in Heidelberg) studierte Bildende Kunst in Mainz, Toulouse und Berlin. Sie findet für ihre Arbeiten ganz unterschiedliche Bildträger, malt nicht nur auf Leinwand oder Papier, sondern zum Beispiel auch auf Frischhaltefolie oder Glas. Für die raumgreifenden Installationen nutzt sie oft alltägliche Materialien, spannt beispielsweise Geschenkbänder auf die Wand oder bewebt Bauzäune mit leuchtend bunten Plastikstreifen. Lotte Günther lebt und arbeitet in Berlin. Ihre Arbeiten wurden das erste Mal 2013 in Berlin gezeigt. Bis zum 27. April 2014 waren sie im Rahmen der Ausstellung „Emy-Roeder-Preis 2014″ im Foyer des Kunstverein Ludwigshafen zu sehen. Weitere Informationen und Bilder finden Sie auf der Website von Lotte Günther.

Quelle: Malerblatt 05/2014
Fotos: Lotte Günther
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