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Innovative Fassadenfarben

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Innovative Fassadenfarben

Beschichtungen am Bau haben immer zwei Aufgaben: Eine visuelle und eine funktionelle. „Farbe verschönt und Farbe schützt“

Vor vielen Jahrzehnten goss das Malerhandwerk diese Doppelrolle in einen banalen, aber prägnanten Slogan: „Farbe verschönt und Farbe schützt“. Denn letztlich spielt die Beschichtung, meist nur wenige Mikrometer dick, eine Art Opferrolle, bewahrt die Bausubstanz darunter vor den Auswirkungen der Witterung, um dabei selbst langsam abgebaut zu werden. Schutz bedeutet in unseren Breiten primär: Wasser draußen halten, Auffeuchtungen verhindern und möglichst wenig Schmutz zu akkumulieren. Dazu stehen bekannterweise unterschiedlichste Systeme zur Verfügung, silikatisch gebundene Materialien, organisch gebundene Dispersionsfarben, siliconharzhaltige Beschichtungen oder hybride Konstellationen mit mehreren Bindemitteltypen. Diese Systematik ist so wenig neu wie die Bindemittel – seit Jahren lassen sich keine wirklich neuen Entwicklungen beobachten. Selbst die photokatalytischen Beschichtungen basieren auf bekannten Bindemitteln, die lediglich auf die besonderen Anforderungen hin optimiert wurden.



Lange Optimierungszyklen

 

 

Auch künftig werden keine Revolutionen zu erwarten sein – die Farbenentwicklung ist schon immer eine sehr evolutionäre Angelegenheit, Technologiesprünge wie in anderen Branchen finden nicht statt. Das liegt auch daran, dass vor der Marktreife ausführliche Prüfungszyklen zu durchlaufen sind, inklusive Freibewitterung, Klimakammertests und Praxisversuchen. Dennoch wird in den Labors permanent an besseren Rezepturen gefeilt, die etwa längere Haltbarkeit, bessere Algen- resistenz oder auch schnellere Applikation versprechen. Mit dabei sind dann stets die eigentlichen Rohstoffhersteller, meist der chemischen Industrie zugehörigen Konzerne, für die das Geschäft mit Bautenfarben nicht immer im Vordergrund steht. Die Optimierungen übrigens sind nicht sichtbar, denn die Produkte tragen weiter den eingeführten Namen – letztlich auch, um die Verarbeiter nicht zu verunsichern, die in der Mehrzahl Innovationen gegenüber eher zurückhaltend agieren und auf der sicheren Seite bleiben wollen. Auch das bremst Innovationssprünge.


 


Photokatalyse auch für außen?

Einen Sprung aber stellten vor einigen Jahren die photokatalytisch aktiven Farben dar. Deren Formulierung nutzt nanoskaliges Titandioxid als aktives Pigment – eigentlich ist auch das nicht ganz neu, denn das feinstteilige Weißpigment war schon immer einer der zentralen Bestandteile von Farben. Auch die Photokatalyse ließ sich schon immer beobachten, allerdings musste man sehr genau hinschauen. Forschern gelang es Ende der 1990er-Jahre, die Titandioxid-Pigmente so zu modifizieren, dass die Photokatalyse bereits bei energieärmerem Sonnenlicht, ja fast UV-freiem Licht, startet. Bei diesem Vorgang entstehen an der Oberfläche der Beschichtung hoch reaktive Radikale, die in der Lage sind, Luft-Schadstoffe wie Stickoxide oder organische Verbindungen in unproblematische Moleküle zu spalten. Und weil Innenräume mitunter stärker mit Schadstoffen belastet sind als Außenräume, wurde die Photokatalyse zunächst für die Innenanwendung entwickelt. Hier hat sich die Wirkungsweise durchaus bewährt, vor allem im Objektbereich, in Schulen, Kantinen oder Restaurants. Vorausgesetzt, die zur Verfügung stehenden Wand- und Deckenflächen sind groß genug, damit der Effekt signifikant wirken kann.Auch für den Außenbereich werden inzwischen diese Farben angepriesen, doch weit weniger erfolgreich. Dafür gibt es zwei wesentliche Gründe. So hat der Bauherr zunächst keinen unmittelbaren Benefit von der Funktionalität selbst, die ja die Allgemeinluft reinigt. Hinzu kommt, dass er mit einem bis zu 20 Prozent höheren Materialpreis konfrontiert wird – der relativiert sich zwar in der Gesamtleistung, doch das will zunächst erklärt sein. Zweitens dürfte angesichts der wechselnden Bedingungen im Außenraum die Katalyse weniger effizient ablaufen, da auch die Verweilzeit der Schadstoffe auf der reaktiven Fläche maßgeblich ist. Und: Mit der farbigen Pigmentierung reduziert sich die Effizienz abermals, weshalb photokatalytische Farben nur in hellen Nuancen angeboten werden. Damit umgeht man übrigens auch das Risiko des sichtbaren Pigmentabbaus bei gesättigten Farben – denn die Photokatalyse baut natürlich auch die organischen Farbträger wie auch das Bindemittel langsam ab.


 

Beheizte Fassaden?

Ist die Photokatalyse sozusagen Stand der Technik, fällt der Blick in die Zukunft eher nüchtern aus. Und das, obwohl immer wieder beispielsweise Beschichtungen mit umschaltbarer Farbigkeit, photovoltaischem Zusatznutzen oder klimatisierenden Effekten die Runde durch allerlei Medien machen. Während im Labor solche Effekte durchaus darstellbar sind, ist der Weg in die Anwendung noch weit. Oder gar zu weit, denn Langlebigkeit, Kosten und auch die besonderen Verarbeitungsbedingungen auf den Baustellen lassen sich oft kaum lösen. Dies zeigt sich anschaulich im Schicksal der Vakuumdämmung, die dem rauen Baustellenalltag kaum gewachsen ist. Lassen sich Beschichtungen im industriellen Kontext applizieren, also unter definierten und reproduzierbaren Bedingungen, können innovativere Funktionalitäten integriert werden. Zum Beispiel leitfähige Beschichtungen mit Carbon Nanotubes (CNT), die sich beim Anlegen einer Niedrigspannung in homogen temperierende Flächenheizungen verwandeln.
Wärmende Beschichtungen wären prinzipiell für die Fassade eine interessante Sache. Was sich zunächst absurd anhört – einerseits hoch effiziente Dämmungen, andererseits elektrisch erwärmte Oberflächen – wird vor dem Hintergrund des Algen- und Pilzbefalls auf Fassaden zu einem durchaus ernsthaften Gedanken. So ließe sich die gefürchtete Taupunktunterschreitung auf einer um ein bis zwei Grad Celcius erwärmten Fläche verhindern. Und wo kein Kondensat ausfällt, fehlt den Mikroorganismen der Nährboden. Das Problem ist weniger der Energieeinsatz, der sich photovoltaisch erzeugen ließe, als vielmehr die Kosten der Umsetzung vor Ort. Denn mit dem Auftrag der Beschichtung ist es längst nicht getan, da das System über eine Sensorik verfügen müsste, die bei Kondensat-Risiko die Heizung aktiviert. Ein weiteres Problem stellt die Applikation dar, die in exakt definierten Schichtdicken erfolgen muss, um gleiche Widerstandswerte zu realisieren.


Algenstrategien und Bakterien

Dem Algenproblem versucht man daher mit anderen Mitteln besser beizukommen. Etwa durch veränderte Rezepturen, die nicht nur einfache, sondern mikroverkapselte Filmkonservierer enthalten. Filmkonservierer wirken biozid und verhindern über einen gewissen Zeitraum, dass sich Mikroorganismen ansiedeln können. Durch die Bewitterung jedoch werden diese oberflächlich wirkenden Additive allmählich ausgewaschen, die Wirkung erlischt, die Algen kommen. Per Mikroverkapselung soll die Auswaschung nun verlangsamt werden, was die Wirkungsdauer erhöht. Dies betrifft in erster Linie organisch gebundene Beschichtungen, also Dispersionsfarben, Dispersionsputze oder Siliconharzfarben. Mineralische, auf Wasserglas basierende Materialien wirken durch ihre hohe Anfangsalkalität per se algizid. Weitere Verbesserungen der Algenresistenz sollen Farbrezepturen bringen, die noch weniger potenzielle Nährstoffanteile enthalten.Algenresistenz ist übrigens nicht zu verwechseln mit antibakterieller Wirkung, die meist auf Silberionen in der Farbe basiert. Silberionen aber sind gegen Algen unwirksam, gegen Schimmel helfen nur hohe Dosierungen. Die aber wiederum führen zu erheblichen Vergrauungen heller Töne, weil Silber unter Sauerstoff schwarz wird. Im Innenbereich, wo „nur“ Bakterien abgetötet werden sollen, genügen kleinere Konzentrationen, was auch helle Töne erlaubt. Allerdings sind diese Beschichtungen nur für Einsätze in hoch belasteten, etwa klinischen Bereichen zu empfehlen.


 

 

Farbe satt

Auch in den nächsten Jahren wird wohl die Neigung zu hoch gesättigten und dunklen Farbtönen auf der Fassade anhalten. Ein Trend, der die Farbtechniker extrem fordert. Denn je satter ein Farbton, desto höher muss er pigmentiert sein. Und zwar in der Regel mit organischen Pigmenten, die Brillanz und Intensität bringen. Nun aber bauen sich die Pigmente unter dem UV-reichen Sonnenlicht ab, die Farbe vergraut allmählich, was bei ausgesprochenen Bunttönen natürlich eklatanter ins Auge springt als bei aufgehellten Nuancen. Die Farbtonstabiliät versuchte man bisher durch neue Pigmentierungen zu verbessern, musste aber erkennen, dass auch die Füllstoffe in den Rezepturen großen Einfluss haben.
Der andere Nebeneffekt satter Farben: Sie heizen sich durch die IR-Strahlung stark auf, was die Beschichtung selbst, aber auch die darunterliegenden Schichten stra
paziert. Gerade bei Wärmedämm-Verbundsystemen mit Polystyrol-Platten gibt der Hellbezugswert (HBW) die Mindest-Helligkeit der Oberfläche vor. Seit ein paar Jahren nun scheint um diesen HBW eine Art Wettbewerb unter den Systemherstellern entbrannt zu sein, die den bisher sakrosankten HBW von 20 kippen ließ. Die bei dunklen Tönen auftretenden thermischen Spannungen versucht man durch mehrfache Armierungslagen oder Zugabe von Carbonfasern in die Putze abzufangen.
Eine andere Strategie nutzt spezielle Pigmente, die zwar optisch schwarz aussehen, aber die wärmende IR-Strahlung nur noch teilweise absorbieren. Dieses selektive Verhalten soll die Erwärmung der Oberfläche um bis zu 25 Prozent reduzieren, so Temperaturpeaks verhindern und die Langlebigkeit der Systeme erhöhen. Allerdings ist der Preis dafür nicht zu unterschätzen, muss doch der ohnehin hohe Pigmentanteil bei dunklen Tönen d
urch das teure Spezialpigment ersetzt werden.



Doch noch Farbwechsel

 

In naher Zukunft vermutlich wird es doch Baubeschichtungen geben, die ihre Farbe wechseln und so ihren Trocknungszustand anzeigen. Bei bestimmten reaktiven Systemen, etwa Polyurethan-Beschichtungen, lässt sich nicht immer klar sagen, ob die Aushärtung abgeschlossen ist. Gerade bei mehrlagigen Aufbauten, etwa für Fußböden oder Betonoberflächen, wäre ein solcher optischer Indikator ein echter Zugewinn an Sicherheit und Qualität.
Gerade an diesem Beispiel ist zu sehen, dass die Innovationen der Zukunft eher klein ausfallen werden,
aber dennoch hier und da interessante neue Möglichkeiten eröffnen.

Armin Scharf

 

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