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Wie peinlich

Malerblatt Wissen Unverdünnt aufgetragen
Wie peinlich

Auch wenn es einige noch nicht gemerkt haben: Wir Handwerker können längst mit Messer und Gabel essen, ohne uns zu verletzen. Will sagen: Handwerker können jeden Platz am Tisch der Gesellschaft einnehmen. Dass sie gegenüber Akademikern neuerdings in der Minderzahl, aber nicht im Hintertreffen sind, hat jetzt auch der Vorsitzende der SPD-Grundkommission festgestellt und gefordert, man solle „den Akademikerwahn stoppen”. Auch wenn seine Parteisekretärin sofort vehement widersprach und meinte, ein so hoher Prozentsatz Studierender wie derzeit sei „ein unverzichtbarer Beitrag für unseren Anschluss im internationalen Vergleich”, hat Nida-Rümelin doch recht, wenn er unsere hochwertige Berufsausbildung als eine besondere Stärke des deutschen Bildungssystems bezeichnet.

Elternschocker?

Über die Meinung dieses namhaften Bildungspolitikers, dass die Mehrzahl eines Jahrgangs in die berufliche Bildung gehen solle, lässt sich natürlich trefflich diskutieren. So setzte sich in der Rubrik „Beruf und Chance” eine große Tageszeitung unter der Überschrift „Schock Deine Eltern, werde Handwerker” schon tags darauf mit dem Thema auseinander. Als Hingucker diente die Karikatur eines enttäuschten Elternpaares, das die Berufswahl des Sohnes als Handwerker mit dem Seufzer „Wie peinlich! Unser eigenes Fleisch und Blut” kommentierte. „Alle wollen kreativ sein, aber niemand will ackern” konnte man in diesem Artikel pro Berufsausbildung lesen, zu dem kurz darauf eine Replik im Wirtschaftsteil erschien, die belegen wollte, dass Akademiker 70 Prozent mehr verdienen als Menschen mit gewerblicher Ausbildung. Fragt sich, ob in den Durchschnittszahlen auch Einkommen wie die von stellenlosen Juristen enthalten sind, die sich als Taxifahrer verdingen. Mangel an Auszubildenden führt über Mangel an Fachkräften zu Versorgungsengpässen.

Da darf man ketzerisch fragen, ob Bilanzbuchhalter bei Bedarf auch Köpfe frisieren, arbeitslose Ärzte neben Bypässen auch Elektroleitungen verlegen oder gierige Banker nicht nur absahnen, sondern notfalls auch Torten backen können.

Bei den vehementen Diskussionen ist viel zu wenig berücksichtigt, wie rasant sich die Arbeitswelt verändert hat und weiter verändert. Sieht man vom Fließband ab, gibt es kaum noch einfache Tätigkeiten. Wer früher im Lager für Ordnung und Sauberkeit sorgte und auf Anforderung Material bereitstellte, kauft heute vielleicht nach eigenständigen Preisverhandlungen projektbezogen ein und steuert just in time die Beschickung der Baustellen mittels EDV. So bitter es für die betroffenen jungen Menschen aus Förder- und Hauptschulen ist: Ihre Qualifikation reicht für die Anforderungen im Handwerk, das stetig komplexer geworden ist, immer seltener aus. Abiturienten dagegen, insbesondre solchen, die sich die Meisterschaft zum Ziel setzen, bieten sich als Führungskräften beste Chancen, zumal in vielen Betrieben die Nachfolge ansteht. Das ist in den Gymnasien und auch bei den Eltern immer noch viel zu wenig bekannt. Deshalb muss das Handwerk nicht nur möglichst viele Schüler auf Gymnasien schicken, sondern sich auch anschicken, dort über die hervorragenden Karrieremöglichkeiten zu informieren. Die guten Beispiele, die es dazu gibt, sollten Schule machen.

Gut gepasst

Bei der Farbgestaltung, mit der ich gerade für eine große Kirche betraut bin, diskutierten wir mal wieder über Graunuancen, deren Unterschied so gering war, dass ihn hinterher keiner mehr wahrnimmt. Um die Sache abzukürzen erzählte ich dem Architekten, wie wir früher solche Diskussionen vermieden haben: Wir mischten anhand des Architektenmusters den Farbton – und strichen damit zuerst das Muster. Das passte immer und alle waren’s zufrieden. „Inzwischen haben wir aber dazugelernt und geben den Malern nur noch die Hälfte unseres Musters” meinte der Architekt. Gut gepasst.

Partner des Frühlings

Eine Auto-Nobelmarke bewirbt in diesen trüben Tagen einen ihrer Fahrzeugtypen wegen seiner speziellen Ausrüstung damit, dass er „Partner des Herbstes” sei. Das wäre doch auch was für eine findige Firma, die ihren Start in den heiteren Lenz mit einem vielfarbigen Angebot und dem Slogan „Partner des Frühlings” verknüpft.

Noch nie mussten die Arbeitsagenturen so vielen Hartz-4-Empfängern Mittel kürzen wie jetzt. Hauptgrund: Die Leute halten sich nicht an Termine und Vereinbarungen. Das war vorhersehbar. Wer seine Tage nicht mehr strukturieren muss, versauert und wird auch der Zuverlässigkeit entwöhnt. Je länger das dauert, umso schwerer fällt gegebenenfalls auch ein neuer Job. Dem könnte man vorbeugen, indem man den arbeitsfähigen Sozialhilfeempfängern sinnvolle Aufgaben für die Allgemeinheit abverlangt. Davon gibt’s weiß Gott genug. Sonst schaffen die’s nicht mehr – und schaffen nie mehr

Auszeiten sind in

Auszeiten sind in, bei Sport und Beruf. Eine besondere plant man bei HS. Wenn Arbeiten nicht rund laufen, nimmt der Vormann ein kurzes Time-out, um das Problem im Team zu lösen – spontan und in wenigen Minuten. Wie beim Sport. Eine richtige Ideenschmiede haben die bei Schmid.

Im Keller

Das Weltwirtschaftsforum hat Deutschland im Wettbewerbsranking hinsichtlich der Flexibilität des Arbeitsmarktes auf Rang 113 gesetzt und diesen hinteren Tabellenplatz vor allem mit den vergleichsweise hohen Kosten bei der Aufhebung von Arbeitsverträgen und bei Entlassungen begründet, was zur Zurückhaltung bei Festeinstellungen führe. Das ist nichts neues. Beim Stammtisch von Mittelständlern kann man es jeden Tag hören.

Hammerpreis

Die Kreishandwerkerschaft Mainz-Bingen hat den erstmals vergebenen „Hammerpreis” für Verdienste der Kirche an Kardinal Karl Lehmann verliehen. Hammerpreis für einen, zu dessen Kardinaltugenden auch Handfestigkeit gehört.

Fachzeitschrift als Filter

Nie zuvor gab es soviel Wissen und Informationen, auch zur Betriebsführung. Da heißt es sich auf das zu beschränken, was man wirklich braucht. Fachorganisation und Fachzeitschriften helfen dabei. Sie funktionieren als Filter. Jetzt also unsere Kundenzeitung per Mail statt per Fax. Ich gebe zu bedenken, dass man Mails schnell wegdrücken kann und kriege zur Antwort „und Prints schnell wegwerfen”. Gibt es denn überhaupt noch Papierkörbe?

Wie peinlich! Unser eigenes Fleisch und Blut! Wer seine Tage nicht mehr strukturieren muss, der versauert. Alle wollen kreativ sein, aber niemand will ackern.

Werner Schledt
Quelle: Malerblatt 11/2013
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