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Prozesssteuerung Handwerk 2

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Prozesssteuerung Handwerk 2

Die Baustelle ist der mit Abstand wichtigste Ort im Unternehmen – der Ort, an dem Kunde und Mitarbeiter zusammenkommen.

Hier fällt die Entscheidung, ob ein Unternehmen rentabel arbeitet oder nicht. Der Autor Dr. Christian Hürter beschreibt im zweiten Teil seiner Artikelserie zum Thema Prozess-Steuerung das Wechselspiel von Kunde, Mitarbeiter, Baustelle und Geld. Maler-Unternehmer Franz ist 55 Jahre alt. Die Firma – über den Zeitraum von 35 Jahren selbst aufgebaut – ist in den schwarzen Zahlen, besitzt tolle Stammkunden und ein intaktes Betriebsklima.

Doch die Rendite geht leider zurück: 2010 und auch 2011 waren es nur noch um die drei Prozent Umsatzrendite, so wenig wie noch gar nie. Wenn Franz’ Sohn Thomas 2015 das Ruder übernimmt, dann soll die Rendite wieder stimmen. Aus diesem Grund hat Franz in den letzten zwei Jahren sein Finanzcontrolling verstärkt und auf Anraten seines Steuerberaters über 100 neue Kostenarten eingeführt. Doch dann die herbe Enttäuschung: nur noch zwei Prozent Rendite im Jahresergebnis 2012. Wie kann das sein?

Rückschau oder Vorausschau?

Stellen Sie sich vor, Sie fahren Auto und verlassen sich nur auf den Rückspiegel. Unsinn sagen Sie? Nun, Finanzcontrolling gleicht einem Rückspiegel: es stellt einen wichtigen Bestandteil der Steuerungsinstrumente dar, zeigt Ihnen aber nur an, wo Sie bereits waren. Es bietet also nicht mehr aber auch nicht weniger als ein Spiegelbild dessen, was wirklich ursächlich vor sich geht – eine Anzeige, ob man die letzte Kurve richtig genommen hat oder schon von der Straße abgekommen ist, ob das Ergebnis stimmt oder nicht. Im eingangs erwähnten Fallbeispiel stimmt etwas nicht, das weiß Unternehmer Franz. Aber warum die Ergebnisse nicht stimmen? – Um diese Antwort zu erhalten, reicht es nicht, den Spiegel zu verbessern, ihn zu vergrößern oder technisch zu perfektionieren; es ist und bleibt ein Rückspiegel. Nein, die Perspektive muss sich ändern: von der Rückschau zur Vorausschau.

Leistung vor Kosten

Ein Rechenbeispiel mag diese so genannten Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge verdeutlichen. Nehmen wir an, unser Fallbeispiel-Unternehmen erwirtschaftete 2012 eine wirtschaftliche Eigenleistung pro Mitarbeiter von 60.000 Euro. Das kann gut oder schlecht sein, je nach Kosten. Der Punkt ist, dass im Grunde sämtliche Kosten seit Jahren kontinuierlich steigen: Löhne, Lohnnebenkosten, Gehälter, Mieten, Kraftstoffe, Material und so weiter. Eine Optimierung der Kostenstruktur kann zwar sicherlich einige Euros sichern, die größten Potenziale schlummern aber in der Regel in der Leistung. Wenden wir uns daher verstärkt der Leistung zu (siehe Tabelle).

Der Ergebnisbereich Geld setzt sich demnach zusammen aus den Ursachenbereichen „Kunde”, „Mitarbeiter” und „Baustelle”. Konkret werden beim Rechenbeispiel in der Ausgangssituation 60.000 Euro Eigenleistung pro Mitarbeiter pro Jahr erzielt durch die Preise, multipliziert mit der Verfügbarkeit (1.500 Jahresarbeitsstunden) und diese wiederum multipliziert mit der Produktivität (Leistungswert).

Ursachen vor Ergebnissen

Anhand des oben genannten Rechenbeispiels wird der Blick frei auf die drei Ursachenbereiche für gute (oder schlechte) Finanzergebnisse, nämlich:

  • Bereich Kunde: In diesem Beispiel wird davon ausgegangen, dass Preise und Kundenstruktur unveränderlich sind. Dies deckt sich übrigens auch mit einem der Kernprobleme im Malerhandwerk: Während sämtliche Faktorkosten laufend steigen, so stagnieren die Preise seit Jahrzehnten. Beispiele gefällig? Kunden, die vor 40 Jahren für einen Quadratmeter Raufaser 9,00 DM zahlten, bekommen diese Leistung heute für 4,50 Euro. Oder nehmen wir das Beispiel eines Quadratmeters Mineralfaserdecke: damals 32,50 DM, heute 16,50 Euro.
  • Bereich Mitarbeiter: in unserem Beispiel wird von einem Potenzial zur Erhöhung der Verfügbarkeit um zehn Prozent ausgegangen, etwa durch Verbesserung der Winterauslastung und durch Maßnahmen zur Gesunderhaltung und Vermeidung von Demotivation bei den Mitarbeitern.
  • Bereich Baustelle: in unserem Beispiel wird von einem Produktivitätspotenzial von 20 Prozent ausgegangen. Dies bedeutet jedoch nicht einfach nur „schneller arbeiten”, sonst ist das Vertrauen und die Motivation der Mitarbeiter sofort verspielt. Vielmehr geht es um die Einbeziehung aller Mitarbeiter am betrieblichen Prozess ständiger Verbesserung. Mehr dazu im nächsten (dritten) Teil dieser Artikelserie.

 

Handeln vor Ort

Es zeigt sich: Vorausschauend fahren bedeutet, die eigentlichen Ursachen für Finanzbewegungen zu kennen – und zu erkennen. Hierfür ist das Büro leider oft der denkbar schlechteste Ort. Viel wichtiger ist die persönliche Anwesenheit auf der Baustelle. Die Baustelle ist der mit Abstand wichtigste Ort im Unternehmen – der Ort, an dem Kunde und Mitarbeiter zusammenkommen. Hier liegen die Kernursachen für gute oder schlechte Finanzergebnisse.

Doch wie oft ist die Situation auf der Baustelle bei wichtigen Entscheidungen ausreichend bekannt? Im Alltag kommt das Prinzip „Handeln vor Ort” immer wieder unter die Räder, gerade in Zeiten aufwendiger Bürokratie, moderner Kommunikationsmittel und großer Führungsspannen. Vielleicht sind Ihnen Aussagen wie diese bekannt: „Der Papierkram zwingt mich einfach ständig ins Büro, ich habe zu viele Baustellen parallel und dank moderner Smartphones kann ich die Baustelle ja auch vom Büro aus managen.” Aber was ist mit Kunden, Mitarbeitern und dem „Mikrokosmos Baustelle” selbst? Lässt sich all das auch vom Büro aus beherrschen? Die Zeit scheint gekommen, „Handeln vor Ort” als uralten Wert wieder aufleben zu lassen.

Das Delta zählt

Das kurz skizzierte Fallbeispiel mag extrem grob und vereinfachend sein. Doch offenbart es nicht nur die Erfolgsreserven im Unternehmen, sondern vor allem deren Ursachen: Bereich Kunde, Bereich Mitarbeiter und Bereich Baustelle. Dabei kommt es nicht so sehr auf den absoluten Wert an. Denn ob beispielsweise 60.000 oder 100.000 Euro Eigenleistung pro Jahr ausreichen, kann von Firma zu Firma durchaus unterschiedlich beurteilt werden. Entscheidend ist vielmehr das „Delta”, also die Veränderung, die Sie praktisch und dauerhaft erreichen können, basierend auf Ihrer Ausgangssituation. Auf das Delta kommt’s also an; schließlich heißt es ja auch nicht Prozess-Buchhaltung, sondern Prozess-Steuerung.

Dr. Christian Hürter
Quelle: Malerblatt 02/2013
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